Inhalt
► Überblick
► UN-Abkommen über TNCs und Menschenrechte / direkt zur Themenseite
► Konzernverantwortungsinitiative
► Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)
► Dokumente und Organisationen
Überblick
Das Recht auf Nahrung wird im globalen Süden oftmals durch transnationale Unternehmen (TNCs, Transnational Corporations) massiv bedroht oder verletzt, insbesondere durch Land Grabbing, Umweltvergiftung, Löhne bzw. Produzentenpreise unter dem Existenzminimum und schlechte Arbeitsbedingungen.
Völkerrechtlich kommt den Unternehmen keine verbindliche Verpflichtung zu, die Menschenrechte zu achten, hingegen eine Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte, wie es z.B. die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zum Ausdruck bringen.
Manche Firmen nehmen diese Verantwortung wahr und bemühen sich, Risiken von Menschenrechtsverstössen zu erkennen und zu vermeiden und bestehende Verstösse zu beenden. Hierzu bestehen zahlreiche freiwillige Vereinbarungen und Initiativen, denen sich Unternehmen anschliessen können.
Manche Konzerne ignorieren jedoch ihre Verantwortung und verstossen im Interesse des Profits z.B. gegen die Rechte auf Nahrung, auf Wasser, auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen oder auf Gesundheit. Meist gehen diese Verstösse straflos aus – aufgrund eines schwachen Rechtssystems und korrupter oder unwilliger Strafverfolgungsbehörden im Gaststaat und fehlender Haftbarkeit der Muttergesellschaft und fehlendem Zugang zum Recht für Opfer im Heimatstaat des Unternehmens. Diese Straflosigkeit ist zu einem grossen internationalen Problem geworden und muss dringend beendet werden, um nicht laufend neuen Menschenrechtsverstössen Vorschub zu leisten.
Es ist höchste Zeit, dass insbesondere für transnationale Konzerne verbindliche Regeln zur Achtung der Menschenrechte sowie zur Sanktionierung und Wiedergutmachung von Verstössen ausgearbeitet und erlassen werden. FIAN Schweiz engagiert sich deshalb auf nationaler Ebene für die Konzernverantwortungsinitiative und auf internationaler Ebene für ein UN-Abkommen über Transnationale Unternehmen und Menschenrechte.
UN-Abkommen über TNCs und Menschenrechte
Der UN-Menschenrechtsrat in Genf nahm am 26. Juni 2014 an seiner 26. Session eine Resolution an, die die Einrichtung einer zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe über Transnationale Unternehmen und Menschenrechte beschloss. Das Mandat der Arbeitsgruppe ist es, «ein internationales rechtlich verbindliches Instrument auszuarbeiten, um die Aktivitäten von Transnationalen Unternehmen und anderen Firmen im internationalen Menschenrechtskorpus zu regulieren».
FIAN International, FIAN Schweiz und viele weitere FIAN-Sektionen unterstützen die Ausarbeitung des Abkommens aktiv auf nationaler und internationaler Ebene. Das Abkommen wird ein entscheidendes Instrument zum Schutz der Menschen und Menschenrechte vor Verstössen durch transnationale Konzerne und zur Strafverfolgung fehlbarer Unternehmen sein.
► Detaillierte Informationen bietet die Themenseite «UN-Abkommen zu TNCs und Menschenrechten».
Konzernverantwortungsinitiative
FIAN Schweiz ist unterstützende Organisation in der Trägerschaft der Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt (Konzernverantwortungsinitative».
Die Initiative wurde mit über 120’000 gültigen Unterschriften im Oktober 2016 bei der Bundeskanzlei eingereicht.
Die Initiative verlangt,
- dass Unternehmen mit Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Schweiz die Menschenrechte und Umweltstandards auch im Ausland respektieren und dafür sorgen, dass dies auch die durch sie kontrollierten Unternehmen tun (Respektierungspflicht)
- dass die Unternehmen hierzu Sorgfaltsprüfungen durchführen: die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte und die Umwelt ermitteln, Massnahmen zur Verhütung von Verstössen gegen Menschenrechte und Umweltstandards ergreifen, Verstösse beenden und Rechenschaft über Massnahmen ablegen (Sorgfaltsprüfungspflicht)
- dass die Unternehmen auch für den Schaden haften, den durch sie kontrollierte Unternehmen verursacht haben, ausser sie können beweisen, dass sie alle gebotene Sorgfalt angewendet haben, um den Schaden zu verhüten (Durchsetzungsmechanismus)
mehr Informationen auf der Website von humanrights.ch:
► Konzernverantwortungsinitiative – das Wichtigste in Kürze
► Konzernverantwortungsinitiative – Chronologie
► Konzernverantwortungsinitiative – Argumentarium
Mitteilungen von FIAN Schweiz:
► Konzernverantwortungsinitiative: Bewegung im Parlament – zeigen Sie Flagge! vom 2. Mai 2018
► UPR-Überprüfung der Schweiz: Kleine Hoffnung für Menschenrechte und Wirtschaft? vom 20. Januar 2018
► Wirtschaft und Menschenrechte: Ein mutloser und widersprüchlicher Bundesrat vom 17. September 2017
► Konzernverantwortungsinitiative: Abgelehnt durch den Bundesrat, aber Rückenwind aus Frankreich vom 9. Mai 2017
► Konzernverantwortungsinitiative mit 120’000 gültigen Unterschriften eingereicht vom 11. Oktober 2016
► 140’000 Unterschriften für mehr Menschenrechtsschutz im Ausland vom 22. April 2016
► Globale Verantwortung für globale Geschäfte vom 21. April 2015
► Volksinitiative für verantwortungsvolle Konzerne vom 20. Januar 2015
Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)
2. NAP von 2020 – 2023
Im Janaur 2020 verabschiedete der Bundesrat den überarbeiteten Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte für den Zeitraum 2020 – 2023. Nachdem FIAN Schweiz schon den ersten NAP heftig kritisieren musste, ist leider auch der zweite als weitgehend ungenügend zu bezeichnen:
- Der Bundesrat setzt weiterhin auf Freiwilligkeit und den guten Willen der Unternehmen. Dieses Wunschdenken setzt den in den UNGPs vorgesehene Smart Mix und die staatliche Schutzpflicht nicht um.
- Sogar bei den bundesnahen Betrieben «erwartet» der Bundesrat bloss, dass sie eine nachhaltige Unternehmensstrategie verfolgen, und er will sie für eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung bloss «sensibilisieren» und «ermutigen» (S. 13/14). Auch hier offenbart sich eine erstaunliche Führungsschwäche.
- Neu formuliert der NAP zu jeder Massnahme ein Ziel und einen Indikator, was an und für sich ein erheblicher methodischer Fortschritt ist. Doch es herrscht methodisches Chaos: Statt Massnahmen werden bestehende Situationen oder vergangene Aktionen beschrieben, anstelle von Zielen werden Massnahmen aufgeführt, fast kein Indikator ist mit einer Zielgrösse versehen oder zur Zielerreichung reicht der Nachweis eines einzigen Beispiels …
- An vielen Stellen bleibt der Aktionsplan vage, summarisch oder unpräzis und lässt Fragen offen. Mancherorts wirkt er schwächlich, wenn nicht völlig unambitioniert.
- Mit den vielen Rückblicken gleicht er über manche Stellen eher einem Rechenschaftsbericht statt einem in die Zukunft gerichteten, auf Veränderung ausgerichteten Aktionsplan.
- Der NAP ist output- statt impact-orientiert: Er beschreibt, was die Bundesverwaltung alles macht (oder gemacht hat), und kaum, was für konkrete Wirkungen (bei den potentiell oder tatsächlich von Menschenrechtsverletzungen Betroffenen) erzielt werden sollen.
Der Bundesrat wiederholt, dass er die Konzernverantwortungsinitiative ohne Gegenvorschlag (!) ablehne und auf ein koordiniertes Vorgehen auf internationaler Ebene setze (S. 8). Dann müsste der Bundesrat aber das entstehende UN-Abkommen zu Transnationalen Konzernen und Menschenrechten massiv unterstützen, das genau ein koordiniertes Vorgehen auf internationaler Ebene ist! Stattdessen will er den Verhandlungsprozess bloss «weiter beobachten» (S. 22).
Immerhin scheint die Kritik von FIAN Schweiz zur Behandlung des UN-Leitprinzips 10 im letzten NAP gefruchtet zu haben: In einer von vier Massnahmen befasst sich der NAP nun doch, wenn auch äusserst summarisch, mit den internationalen Finanzinstitutionen, um die es (zusammen mit Handelsinstitutionen) in diesem Leitprinzip eigentlich geht.
Dieser NAP wird leider nicht viel Neues auslösen, er verfolgt kaum klare Ziele, und die Ergebnisse und Wirkungen werden sich kaum messen lassen. Schade für die verpasste Chance!
► mehr: Analyse und Kommentar zum NAP 2020-2023 von zivilgesellschaftlichen Organisationen (Brot für alle, Swissaid, Public Eye, Amnesty Schweiz, Alliance Sud, Unia, SGB, FIAN Schweiz)
1. NAP von 2016 bis 2019
Im Dezember 2016 hat der Bundesrat den Bericht über die Schweizer Strategie zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte veröffentlicht, der auch den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) enthält. Auch wenn der NAP inhaltsreich und gut strukturiert ist, haben sowohl die Analyse des Vereins Konzernverantwortungsinitiative als auch die Analyse von FIAN Schweiz schwerwiegende Mängel aufgedeckt. Als Fazit muss leider festgehalten werden: Mit diesem NAP erfüllt der Bund seine menschenrechtlichen Schutz- und Achtungspflichten nicht.
Der NAP wird auf das Jahr 2020 hin zum ersten Mal revidiert. Die Kernpunkte der Revision müssen aus unserer Sicht sein:
- Die systematische Analyse der Lücken (gap analysis) im Menschenrechtsschutz soll unter Beteiligung der Zivilgesellschaft nachgeholt werden.
- Der NAP soll die verbindliche Einführung von menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfungen für Unternehmen vorsehen – je nach Ausgang der Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative für alle transnational tätigen Unternehmen oder zumindest für die staatseigenen und staatsnahen Unternehmen. Auch die öffentlichen Betriebe auf kantonaler und kommunaler Stufe mit transnationalen Bezügen sollen einbezogen werden.
- Der NAP soll Politikinstrumente definieren, die sich in Umsetzung von UN-Leitprinzip 10 mit den für Menschenrechte kritischen Institutionen (Weltbankgruppe, Regionale Entwicklungsbanken, Welthandelsorganisation, Internationaler Währungsfonds u.a.) befassen.
- Der NAP soll klar und konkret darlegen, wie der Bund Opfern von im Ausland erfolgten Menschenrechtsverstössen durch Unternehmen mit Bezug zur Schweiz einen einfachen und wirksamen Zugang zu Rechtsmitteln und Wiedergutmachung gewährleisten will.
- Aufgrund des klaren Mehrwerts für den Menschenrechtsschutz, den das entstehende UN-Abkommen zu Transnationalen Konzernen und Menschenrechten beisteuern kann, erwarten wir, dass das Abkommen als essentielles Instrumentarium zur Umsetzung der Leitprinzipien wahrgenommen und dementsprechend im NAP behandelt wird (s. Vorschlag «Revision von Politikinstrument 37 im NAP» von FIAN Schweiz).
Weitere Dokumente zum NAP der Schweiz (chronologisch absteigend):
► Übersichtstabelle des EDA und des WBF Umsetzung des NAP 2016-2018 (11 S., 2018)
► Bericht des EDA und des WBF UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte: Stand der Umsetzung durch den Bund und die Schweizer Unternehmen (15 S., Dezember 2018)
► Sudie Bestandsaufnahme über die Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte durch den Bund und durch Schweizer Unternehmen von twentyfifty (56 S. + 74 S. Anhänge, Juli 2018)
► Der Schweizerische NAP im internationalen Vergleich: Assessment of Existing National Action Plans (NAPS) on Business and Human Rights von ICAR, ECCJ und Dejusticia (282 S., August 2017)
► Stellungnahme von FIAN Schweiz zum Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (8 S., Januar 2017)
► Artikel Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte – kritisches Feedback auf der Informationsplattform humanrights.ch (Dezember 2016)
Dokumente und Organisationen
Parlamentarische Vorstösse, Berichte des Bundesrats, gesetzliche Grundlagen
► Bericht über die Schweizer Strategie zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (mit dem «Nationalen Aktionsplan», NAP). Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 12.3503. 2016
► Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen. Positionspapier und Aktionsplan des Bundesrates zur Verantwortung der Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt. 2015
► Rechtsvergleichender Bericht. Sorgfaltsprüfung bezüglich Menschenrechten und Umwelt im Zusammenhang mit den Auslandaktivitäten von Schweizer Konzernen. Bericht in Erfüllung des Postulates 12.3980. 2014
► Gutachten über gesetzliche Verpflichtungen zur Durchführung einer Sorgfaltsprüfung bezüglich Menschenrechte und Umwelt bei Auslandaktivitäten von Unternehmen und zur Berichterstattung über getroffenen Massnahmen im deutschen, französischen, dänischen, niederländischen, englischen, chinesischen, kanadischen und US-amerikanischen Recht sowie im Recht von Singapur. Gutachten des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung (SIR). 2013
► Verordnung über die Organisation des Nationalen Kontaktpunktes für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und über seinen Beirat vom 1. Mai 2013
Leitlinien und Publikationen auf internationaler Ebene
► UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte: Umsetzung des Rahmens der Vereinten Nationen ‚Schutz, Achtung und Abhilfe‘. Überarbeitete Übersetzung, Geschäftsstelle Deutsches Global Compact Netzwerk
► OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Neufassung 2011.
► Business & Human Rights in Law. Online platform for information on State-driven initiatives to codify the corporate responsibility to respect human rights and enhance access to remedy by highlighting developments in mandatory human rights due diligence and parent company accountability from around the world.
► The corporate responsibility to respect human rights. An Interpretive Guide. OHCHR, 2012
► Regulating Transnational Corporations: A Duty under International Human Rights Law. Contribution of the Special Rapporteur on the right to food, Mr. Olivier De Schutter, to the workshop “Human Rights and Transnational Corporations: Paving the way for a legally binding instrument” convened by Ecuador, 11-12 March 2014, during the 25th session of the Human Rights Council
Organisationen und Themenportale Schweiz
► Konzernverantwortungsinitiative
► Themenbereich «Menschenrechte und Wirtschaft» des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte SKMR
► Themendossier «Transnationale Unternehmen und Menschenrechte» von humanrights.ch
► Webseite des Bundes zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte
Organisationen international
► Global Movement for a Binding Treaty (Treaty Alliance)
► Business & Human Rights Resource Center
► Business and Human Rights Documentation Project