Allgemeiner Kommentar Nr. 24 des CESCR

Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (WSK-Ausschuss, CESCR) hat 2017 seinen Allgemeinen Kommentar Nr. 24 zu den Staatenpflichten unter dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Kontext mit Unternehmenstätigkeiten veröffentlicht (General comment No. 24 on State obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights in the context of business activities).

Allgemeiner Kommentar Nr. 24
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (WSK-Pakt)
Interview mit Rolf Künnemann, Human Rights Director von FIAN International

Einführung

Der folgende Text stützt sich im Wesentlichen auf einen Text der Infomationsplattform humanrights.ch ab.

Klärung zu den staatlichen Schutzpflichten

Der WSK-Ausschuss stellte sich für den Allgemeinen Kommentar Nr. 24 die folgende Frage: Welche Verpflichtungen haben die Mitgliedstaaten des WSK-Pakts (darunter die Schweiz), um negative Auswirkungen von wirtschaftlichen Aktivitäten auf die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechte zu verhindern?

Diese Fragestellung ist vor dem Hintergrund der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sehr bedeutsam. Die Leitprinzipien werden seit Jahren auf internationaler und nationaler Ebene intensiv diskutiert und teilweise in Aktionspläne umgegossen. Dabei wird das Augenmerk gewöhnlich auf die sogenannte «zweite Säule» gelegt, also auf die Pflicht der Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte, während die «erste Säule», die staatlichen Pflichten zum Schutz der Menschenrechte im Bereich der Wirtschaft, in der Regel seltsam unterbelichtet bleibt. Der WSK-Ausschuss trägt diesbezüglich mit seinem Allgemeinen Kommentar Nr. 24 ebenso entscheidend zur Klärung bei wie zur «dritten Säule» der Leitprinzipien, den Zugang zur Wiedergutmachung für Opfer von Menschenrechtsverletzungen, für welche Wirtschaftsunternehmen verantwortlich sind.

Im Zentrum der Erörterungen stehen die staatlichen Schutzpflichten gegenüber möglichen Gefährdungen der Menschenrechte durch wirtschaftliche Aktivitäten. Das sind nicht nur moralische Pflichten der Staaten, sondern verbindliche Verpflichtungen als Teil des internationalen Rechts. Es gehört zu den Kernaufgaben des WSK-Ausschusses, diese vertraglichen Verpflichtungen in Bezug auf den Internationalen Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte in seinen Allgemeinen Kommentaren laufend zu präzisieren und damit eine verbindliche Richtschnur für die Auslegung des UNO-Pakts I vorzugeben.

Einzelne Überlegungen und Argumentationen, die der WSK-Ausschuss im Allgemeinen Kommentar Nr. 24 in systematischer Weise zusammenfasst, hat er in den vergangenen Jahren in diversen Allgemeinen Kommentaren oder auch im Kontext von Empfehlungen an einzelne Staaten, so auch an die Schweiz, entwickelt (Absatz 26). Gleichwohl ist es kein Geheimnis, dass sich der WSK-Ausschuss in seiner Systematisierung an den im Jahre 2011 publizierten «Maastrichter Grundsätzen über die Extraterritorialen Staatenpflichten im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte» orientierte, welche von einer internationalen Gruppe von Fachleuten erarbeitet worden war (siehe unsere Themenseite dazu).

Wegweisende Festlegungen

In der Folge heben wir einige Punkte aus dem Allgemeinen Kommentar Nr. 24 hervor, die uns als besonders markant erscheinen.

Staatliche Achtungspflichten

Ein Staat verletzt seine Achtungspflichten, wenn er den Interessen von Wirtschaftsunternehmen ohne ausreichende Begründung den Vorrang vor den WSK-Rechten einräumt. Demgemäss sind Staaten verpflichtet, Zielkonflikte zwischen Freihandelsabkommen und den WSK-Rechten mittels vorgängigen Menschenrechtsverträglichkeitsprüfungen zu identifizieren und, falls sich diese nicht lösen lassen, vom Freihandelsabkommen abzusehen bzw. dieses nachzubessern.

Staatliche Schutzpflichten

Die Schutzpflichten der Staaten haben die Verhinderung und Wiedergutmachung von Menschenrechtsverstössen, die von wirtschaftlichen Aktivitäten verursacht werden, zum Ziel. Zu diesem Zweck müssen die Staaten geeignete gesetzgeberische und andere Massnahmen ergreifen, welche solchen Menschenrechtsverletzungen vorbeugen sowie den allfälligen Opfern solcher Verletzungen einen Zugang zu wirksamer Abhilfe verschaffen.

Dies beinhaltet, dass jeder Staat gesetzliche Vorgaben schaffen muss, die den Wirtschaftsunternehmen eine strikte Sorgfaltspflicht auferlegen, die Risiken eines Verstosses gegen Menschenrechten im Zuge ihrer Aktivitäten zu identifizieren, ihnen vorzubeugen und sie abzuschwächen. Diese Sorgfaltspflicht erstreckt sich nicht nur auf die eigenen Aktivitäten eines Unternehmens, sondern auch diejenigen in seinen Zuliefererketten.

Wenn ein Wirtschaftsunternehmen gegen die gesetzlichen Sorgfaltsprüfungspflichten verstösst, sollte der Staat strafrechtliche und administrative Sanktionen verhängen und zivilrechtliche Klagemöglichkeiten zur Erlangung von Wiedergutmachung für die Opfer der entstandenen Menschenrechtsverstösse einrichten.

Nebst dieser gesetzlichen Sorgfaltsprüfungspflicht benennt der WSK-Ausschuss andere Ausdrucksformen der staatlichen Schutzpflicht wie zum Beispiel Eingriffe in den Werbemarkt im Interesse der öffentlichen Gesundheit, Schutz von Whistleblowern im Kontext der Korruptionsbekämpfung, strenge Regulierungen im Falle der Privatisierung von öffentlichen Diensten, etc.

Extraterritoriale Verantwortlichkeit

In längeren Ausführungen beschäftigt sich der General Comment Nr. 24 auch mit der grenzüberschreitenden Dimension der menschenrechtlichen Schutzpflichten des Staates im Bereich der Privatwirtschaft. Die extraterritoriale Verantwortlichkeit wird aus den Prinzipien der internationalen Menschenrechte abgeleitet.

Extraterritoriale Verantwortlichkeit besagt im Kontext der Wirtschaft, dass ein Staat verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass die menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfungspflichten von international tätigen Unternehmen, die ihren Hauptsitz in seinem Territorium haben, auch auf deren wirtschaftliche Aktivitäten im Ausland ausgeweitet werden, insbesondere auch auf die Aktivitäten ihrer ausländischen Tochter- und Zuliefererfirmen.

Zugang zur Justiz

Sind einmal Menschenrechtsverstösse als Folge von wirtschaftlichen Aktivitäten eingetreten, so gehört es zu den Schutzpflichten des Staates, den mutmasslichen Opfern dieser Verletzungen einen prompten und niederschwelligen Zugang zu einem Gericht zu verschaffen, welches eine Wiedergutmachung anordnen kann. Die Staaten habe die Pflicht, die spezifischen Schwierigkeiten, welche Opfer von Aktivitäten transnationaler Unternehmen zu gewärtigen haben, zu mildern und ihnen einen Weg zur Wiedergutmachung im Domizilstaat des verantwortlichen Unternehmens zu eröffnen.

Beitrag zur innerschweizerischen Diskussion

Ein ausgereifter Entwurf des General Comment Nr. 24 wurde einer breiten Vernehmlassung unterzogen, an der sich NGOs, wissenschaftliche Institute und Staaten rege beteiligten. Für die Schweiz nahm das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ausgesprochen ablehnend Stellung. Das Seco kritisiert den Kommentar als undifferenziert und übertrieben. Es befürchtet negative Auswirkungen auf schweizerische Unternehmen, insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen. Dass die staatlichen Schutzpflichten der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte auf diesem Wege für rechtlich verbindlich erklärt werden, passt dem Seco überhaupt nicht, denn dies widerspricht der Strategie des Bundesrats, die menschenrechtlichen Vorgaben für Unternehmen soweit als möglich unter dem Vorzeichen der Freiwilligkeit zu belassen, wie der im Dezember 2016 veröffentlichte nationale Aktionsplan zu den Leitprinzipien deutlich bestätigt hatte. (Lesen Sie unseren Artikel dazu.)

Bestärkung der Konzernverantwortungsinitiative

Die harsche Reaktion des Seco hat jedoch beim WSK-Ausschuss keine Wirkung gezeigt. Er blieb in der definitiven Fassung bei seinen dezidierten Positionen. Diese weisen eine verblüffende Ähnlichkeit mit den Forderungen der Konzernverantwortungsinitiative auf, die von einer breiten schweizerischen NGO-Koalition im Herbst 2016 eingereicht worden war und über die das Schweizer Stimmvolk voraussichtlich im Winter 2018/19 zu befinden hat.

Das Kernstück der KOVI besteht in einer Sorgfaltsprüfungspflicht, welche im Verletzungsfall mit einer Haftungsregel verknüpft wird. Diese Sorgfaltspflicht gilt für Unternehmen mit Sitz in der Schweiz. Die Sorgfaltsprüfung wie die Haftung sind grenzüberschreitend konzipiert: Die Verantwortlichkeit der Unternehmen mit Sitz in der Schweiz erstreckt sich auch auf kontrollierte Unternehmen und sämtliche Geschäftsbeziehungen im Ausland.

Der General Comment Nr. 24 des WSK-Ausschusses der UNO stützt die zentralen Konzepte der Konzernverantwortungsinitiative: Die gesetzlich verankerte Sorgfaltsprüfungspflicht für Unternehmen, die Erstreckung der Verantwortlichkeit für international tätige Unternehmen auf die Tochterfirmen und Zuliefererbetriebe auch im Ausland, sowie die Haftungsregel als eine konkrete Ausgestaltung der Forderung nach Zugang zur Justiz und Wiedergutmachung für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen, für welche Wirtschaftsunternehmen verantwortlich sind.

Fazit

Die Konzernverantwortungsinitiative wird – im Gegensatz zur Abwehrhaltung des Bundesrats –  von der internationalen Rechtsentwicklung bestärkt. Insbesondere verlangt die KOVI rechtliche Neuerungen, welche von einem der massgebenden Expertengremien der internationalen Menschenrechte als zwingende Verpflichtungen für die Vertragsstaaten eingestuft wurden. Eine Annahme der KOVI würde insofern «nur» bedeuten, dass die Schweiz ihren Verpflichtungen nachkommt, die sie mit der Ratifizierung des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte eingegangen ist. Dieser Schritt ist kein «Nice to have», sondern ein Muss.

Zusammenfassung

FIAN Deutschland hat die folgende Zusammenfassung des Kommentars 24 erstellt:

Unternehmen spielen eine wichtige Rolle bei der Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, unter anderem durch die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten und durch private Investitionen zur Entwicklungsförderung. Jedoch werden dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte regelmäßig Sachverhalte dargelegt, in denen Unternehmenstätigkeiten diese Rechte beeinträchtigen.

Die vergangenen dreißig Jahre haben eine deutliche Zunahme der Aktivitäten transnationaler Konzerne, wachsende Investitionen und Handelsströme zwischen den Ländern sowie die Entstehung globaler Lieferketten erlebt. Darüber hinaus werden große Entwicklungsprojekte zunehmend durch private Investitionen gefördert, oft in Form von öffentlich-privaten Partnerschaften zwischen staatlichen Stellen und ausländischen Privatinvestoren. Aufgrund dieser Entwicklungen ist es wichtig geworden, sich mit der Frage extraterritorialer Menschenrechtsverpflichtungen von Staaten zu beschäftigen.

Der vorliegende General Comment zielt darauf ab, die Pflichten der Vertragsstaaten des UN-Sozialpakts zu klären, um nachteilige Auswirkungen geschäftlicher Aktivitäten auf die Menschenrechte zu verhindern. Bereits in einer Erklärung von 2011 bekräftigte der Ausschuss, dass die Verpflichtungen der Vertragsstaaten im Rahmen des Paktes nicht an ihren Staatsgrenzen enden. Aus dem Pakt ergeben sich – neben der Verpflichtung, die Rechte auf nationaler Ebene zu achten, zu schützen und zu gewährleisten – auch extraterritoriale Verpflichtungen.

Solche extraterritorialen Verpflichtungen entstehen, wenn ein Vertragsstaat durch die Regulierung transnationaler Unternehmen Einfluss auf Gegebenheiten außerhalb seines Staatsgebiets nehmen kann und somit implizit auf die dortige Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte einwirkt. Die Verpflichtung zur Einhaltung des Paktes wird laut UN-Sozialausschuss verletzt, wenn die Vertragsstaaten eine Politik verfolgen, die diesen Rechten zuwiderläuft. Im Rahmen von Investitionsprojekten kann diese Situation beispielsweise durch Zwangsvertreibungen entstehen.

Überproportional betroffen von nachteiligen Auswirkungen geschäftlicher Tätigkeiten sind Frauen, Kinder und indigene Völker. Die Nutzung bzw. Ausbeutung von Land und natürlichen Ressourcen betrifft vor allem Bauern, Fischer und andere Menschen in ländlichen Gebieten.
Investitionsbedingte Vertreibungen führen zur Diskriminierung der betroffenen Gruppen. Insbesondere Frauen sind dabei einem Risiko multipler Diskriminierung ausgesetzt. So führen investitionsbedingte Vertreibungen oft zu körperlicher und sexueller Gewalt, unzureichender Entschädigung und zusätzlichen Belastungen im Zusammenhang mit Neuansiedlungen. Im Zuge derartiger Vertreibungen sind indigene Frauen und Mädchen nicht nur wegen ihres Geschlechts, sondern auch durch ihre Zugehörigkeit zu einem indigenen Volk Diskriminierung ausgesetzt. Darüber hinaus zeigt sich weltweit, dass Frauen häufiger informell beschäftigt sind und weniger soziale Sicherheit genießen. Auch in unternehmerischen Entscheidungsprozessen sind sie weiterhin unterrepräsentiert. Der Ausschuss empfiehlt daher, die spezifischen Auswirkungen der Geschäftsaktivitäten auf (indigene) Frauen und Mädchen zu berücksichtigen und eine Genderperspektive in alle Maßnahmen zur Regulierung von Geschäftsaktivitäten einzubeziehen, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte beeinträchtigen können.

Ein weiteres Augenmerk des Ausschusses liegt auf der Berücksichtigung indigener Völker, deren kulturelle Werte und Rechte meist eng mit dem besiedelten Land verbunden sind und daher durch Landraub besonders gefährdet sind. Unternehmen sollten in Bezug auf indigene Völker den Grundsatz der freien Einwilligung nach vorheriger Aufklärung befolgen („prior and informed consent“), besonders bei Angelegenheiten, die deren Rechte beeinträchtigen könnten, einschließlich ihrer Länder und Ressourcen, die sie traditionell besiedeln oder anderweitig verwendet oder erworben haben. Vertragsstaaten sollten in diesem Rahmen sicherstellen, dass die Rechte der indigenen Bevölkerung durch die Unternehmen angemessen berücksichtigt werden.

Insgesamt sollen Staaten den privaten Sektor so regulieren, dass Dienstleistungen und Waren für alle zugänglich bleiben. Rechte des geistigen Eigentums dürfen nicht zur Zugangsbeschränkung produktiver Ressourcen führen, wie es beispielsweise bei der Patentierung von Saatgut der Fall ist. Diese sind für die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung und die Rechte von Landwirten von entscheidender Bedeutung.

Aufgrund dieser möglichen Missstände fordert der Ausschuss die Vertragsstaaten auf, notwendige Schritte gemäß ihrer exterritorialen Verpflichtungen zu unternehmen, um Menschenrechtsverletzungen im Ausland durch einheimische Unternehmen zu verhindern. Dazu gehört es, sicherzustellen, dass Firmen, die unter dem Einfluss des jeweiligen Unternehmens stehen, z.B. Tochtergesellschaften oder Zulieferer, die Rechte des Paktes ebenfalls respektieren. So empfiehlt der Ausschuss den Staaten, Sorgfaltspflichten zu statuieren, um Missbrauch von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten in der Lieferkette eines Unternehmens und von Auftragnehmern, Lieferanten, Franchisenehmern oder anderen Geschäftspartnern zu verhindern.

Die Vertragsstaaten müssen alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Rechtsverletzungen zu verhindern. Wenn vorbeugende Maßnahmen fehlschlagen und Geschäftsaktivitäten zum Verstoß gegen Rechte führen, sollen Sanktionen gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen eingeleitet werden. Zugleich müssen den betroffenen Personen oder Gruppen angemessene Mittel zur Verfügung stehen, die ihnen einen wirksamen Zugang zur Gerichtsbarkeit gewähren und die Rechenschaftspflicht der Unternehmen sicherstellen. Dies erfordert, dass Betroffene, die Rechtsbehelfe suchen, sofortigen Zugang zu einer unabhängigen Behörde haben, welche feststellt, ob eine Verletzung stattgefunden hat und die Beendigung der Verletzung oder eine Wiedergutmachung durchsetzt. Die Wiedergutmachung kann in Form von Restitution, Entschädigung, Rehabilitation und Garantie der Nichtwiederholung erfolgen und muss die Interessen der Betroffenen berücksichtigen.

Extraterritoriale Verpflichtungen sind insbesondere von Bedeutung bei Verhandlungen und Abschlüssen von Handels- und Investitionsabkommen oder von Finanz- und Steuerabkommen sowie für die juristische Zusammenarbeit. Menschenrechts- und Folgenabschätzungen sollten dem Abschluss solcher Verträge vorausgehen, auch sollte die Auswirkungen auf die Menschenrechte bei der Umsetzung derartiger Vereinbarungen regelmäßig beurteilt werden.

Betroffene von Menschenrechtsverletzungen, die durch die Geschäftstätigkeit transnationaler Unternehmen verursacht werden, stehen bisher meist vor Hindernissen bezüglich des Zugangs zu wirksamen Rechtsbehelfen. Aufgrund der intransparenten Verflechtungen vieler Konzerne beispielsweise mit ihren Tochterfirmen, wird eine rechtliche Verantwortung in der Regel abgelehnt und auf das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip von Mutter- und Tochterunternehmen verwiesen – selbst wenn das Mutterunternehmen in der Lage gewesen wäre, Einfluss auf die Geschäftsaktivitäten des Tochterunternehmens zu nehmen. Eine weitere Schwierigkeit liegt im Zugang zu Informationen und Beweisen, um die gestellten Ansprüche zu begründen. Neben der Schwierigkeit, den Anspruch auf Schadensersatz zu beweisen, sind transnationale Rechtsstreitigkeiten zudem oft unerschwinglich teuer und zeitaufwendig.

In transnationalen Fällen erfordert eine wirksame Rechenschaftspflicht eine verbesserte internationale Zusammenarbeit, durch die Risiken von Zuständigkeitskonflikten verringert werden. Diesbezüglich begrüßt der Ausschuss alle Bemühungen bei der Verabschiedung internationaler Instrumente, die die Pflicht der Staaten zur Zusammenarbeit verstärken, um die Rechenschaftspflicht und den Zugang zu gerechten, effektiven Rechtsmitteln für die Opfer von Verletzungen wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte in transnationalen Fällen zu verbessern.

Der Ausschuss plädiert für eine Implementierung von staatlichen Aktionsplänen zu Wirtschaft und Menschenrechten. Diese sollten eine effektive Partizipation von Betroffenen, die Nichtdiskriminierung und Gleichstellung der Geschlechter sowie Rechenschaftspflichten und Transparenz beinhalten. Solche Pläne sollten alle Kategorien von Menschenrechten, einschließlich wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, gleichermaßen betonen und deren Einhaltung regelmäßig überwachen. Denn schließlich haben sich alle Mitglieder der Vereinten Nationen dazu bekannt, gemeinsam die in Artikel 55 der UN-Charta festgelegten Ziele zu erreichen, einschließlich der allgemeinen Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Personen ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion. Diese Pflicht gilt ohne territoriale Beschränkung.

Lesen Sie hierzu auch ein Interview mit Rolf Künnemann, Human Rights Director von FIAN International.