Landkonflikt um Palmöl-Plantagen in Sierra Leone: FIAN Schweiz und Brot für alle ersuchen SECO und EDA um Unterstützung

Mitteilung von FIAN Schweiz vom 17. April 2020

Seit 2011 hat das multinationale Unternehmen SOCFIN – mit operationellem Zentrum in der Schweiz – mehr als 18’000 Hektar Land für industrielle Palmölplantagen in Sierra Leone erworben. Seitdem tobt ein Landkonflikt zwischen den betroffenen Gemeinschaften, SOCFIN, den lokalen Behörden und der Regierung. FIAN unterstützt die einheimischen Organisationen, die sich für eine Lösung einsetzen, seit langem.

Letztes Jahr hat die Regierung endlich einen ernstzunehmenden Konfliktlösungsprozess angestossen. Als erstes Resultat wurde kürzlich der «Report of the Technical Committee on the Malen Chiefdom Land Dispute in Pujehun District» veröffentlicht. Dieser Bericht schliesst die Untersuchungsphase ab. Der staatliche Ausschuss geht zum Teil offen und schonungslos mit staatlichen Stellen und Politikern ins Gericht, legt aber auch dem beteiligten Konzern SOCFIN teilweise gravierende Mängel zur Last. Bedeutsame Mängel gemäss dem Bericht sind:

  • Die Pachtverträge zwischen Regierung und Landeigentümer*innen sind wegen erheblicher rechtlicher Mängel zumindest anfechtbar, wenn nicht nichtig. Die darauf basierenden Unterpachtverträge zwischen Regierung und SOCFIN sind wegen weiterer schwerer Mängel schlicht «von Anfang an nichtig».
  • Es werden 650 Hektaren mehr genutzt als gemäss Verträgen verpachtet worden sind.
  • Die verpachteten Grundstücke sind nirgends genau dokumentiert, weder in den Pachtverträgen noch in den Vermessungsplänen.
  • SOCFIN hält die selbst auferlegten «grünen Gürtel» um die Dörfer und die Pufferstreifen entlang der Flüsse nicht ein, worauf die Bevölkerung für den Nahrungsmittelanbau und den Schutz vor Chemikalien angewiesen wäre.
  • SOCFIN setzt den «Aktionsplan für Dorfentwicklung» nicht um, obwohl dies eine Voraussetzung für die jährliche Erneuerung der Umwelt-Lizenz wäre.
  • Die Tagesaufgaben für die Plantagenarbeiter*innen sind übermässig und der Bezahlung nicht angemessen.

Wegen der nichtigen Pachtverträge fehlen der Errichtung und dem Betrieb der Plantagen die rechtsgültigen Grundlagen – sie hängen rechtlich gesehen in der Luft. Der Untersuchungsausschuss hat allerdings «keinen Beweis für eigentliches Land grabbing gefunden». Was den Anschein dafür erweckte, sei die Tatsache, dass die meisten Personen, die die Pachtverträge (z.T. mit dem Daumen) unterzeichneten, nicht von den landbesitzenden Familien gewählt, sondern diesen unterschoben wurden. SOCFIN sei «unglücklicherweise durch habgierige und korrupte Politiker sowohl auf lokaler wie nationaler Ebene irregeleitet worden, mit den falschen Personen zu verhandeln». Der Untersuchungsausschuss kritisiert die Beteiligung der Regierung an den Transaktionen: «Die Einmischung der Regierung in dieser Angelegenheit war einschüchternd und verfolgte einzig den Zweck, den freien Willen der Landeigentümer zu behindern und die aufgeklärteren und informierteren Mitglieder der landbesitzenden Familien entweder zu Unterwerfung oder zu Inaktion/Duldung zu zwingen.»

Scharf greift der Ausschuss auch die Höhe und Verteilung der Pachtzinsen an. Die von SOCFIN entrichteten Pachtzinsen gehen zu 50 % an die Landeigentümer*innen, zu 40 % an regionale und lokale Behörden und zu 10 % an die Regierung. «Dies ist absolut unfair und erdrückend für die Landeigentümer und entbehrt jeglichen verständlichen Grundes.» Die Pachtzinsen seien «erbärmlich und weit unter dem wirtschaftlichen und Pachtwert dieser Ländereien. […] Dies macht den Anschein von staatlich sanktioniertem Land grabbing.»

Mit einer ausreichenden menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung hätte SOCFIN manche dieser Probleme frühzeitig erkennen und sie vermeiden können. Genau solche Sorgfaltsprüfungen fordert die Konzernverantwortungsinitiative. Gleichermassen hätte der sierra-leonische Staat mit einer vorausgehenden Menschenrechtsverträglichkeitsprüfung (MVP) des Vorhabens die schweren Probleme vermeiden können. FIAN Schweiz schlägt die Einführung solcher MVPs in der Schweiz vor.

Leider weist der Untersuchungsbericht auch erhebliche Schwächen und problematische Elemente auf, wie FIAN Belgien im «Focus on the Investigation Report on the Malen land dispute. Human rights analysis of the core elements (and omissions) for the conflict resolution process» darlegt. Trotzdem stellt der Bericht eine genügend solide Basis dar, um den Dialogprozess zwischen Regierung, Lokalbehörden, Landeigentümer*innen, Zivilgesellschaft und SOCFIN in Sierra Leone fortzusetzen.

Diese Haltung wurde auch in einem Brief einer internationalen Koalition von zivilgesellschaftlichen Organisationen an den Präsidenten von Sierra Leone zum Ausdruck gebracht, den auch FIAN und Brot für alle mitunterzeichneten.

Die nächste Phase im Konfliktlösungsprozess ist nun eine Mediation. Damit diese gelingt, ersuchen FIAN Schweiz und Brot für alle das SECO und das EDA um Unterstützung: Die Schweiz soll

  • gegenüber der Regierung von Sierra Leone Anerkennung für die Fortschritte im Konfliktlösungsprozess zum Ausdruck bringen,
  • Informationen über den Stand der Dinge und den Zeitpunkt des Beginns des Mediationsprozesses einholen,
  • finanzielle, technische und andere Unterstützung anbieten,
  • darauf bestehen, dass internationale Expert*innen ins Mediationsteam aufgenommen werden.

Die Unterstützung durch die Schweiz würde voll mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte für den Zeitraum 2020 – 2023 (Massnahme 32) im Einklang stehen. FIAN Schweiz und Brot für alle pochen darauf, dass die Schweiz als einer der Heimatstaaten von SOCFIN zur Linderung der schwierigen Lage der Bevölkerung im Gebiet der Plantagen beiträgt.

Weitere Informationen:
Themenseite «Landgrabbing by SOCFIN in Sierra Leone – documentation» von FIAN Belgien