Landkonflikt in Kambodscha zwischen Indigenen, Staat und Schweizer Konzern

Remaining sacred forest

Seit zwei Jahrzehnten verfolgt die kambodschanische Regierung eine Politik der Vergabe von wirtschaftlichen Landkonzessionen (Economic Land Concessions – ELCs) für grosse Kautschuk-, Zucker- und Palmölplantagen. In der Provinz Mondulkiri erhielt der in Luxemburg ansässige Agrokonzern SOCFIN, der von der Schweiz aus operiert und enge Beziehungen zu Belgien und Frankreich unterhält, seit 2008 drei Konzessionsgebiete von insgesamt 12’440 Hektaren zur Anlage von Kautschukplantagen. Infolgedessen verloren die indigenen Bunong-Gemeinschaften grosse Teile ihrer landwirtschaftlichen Anbauflächen, Viehweiden und Wälder; ausserdem waren heilige Stätten und Grabstätten betroffen. Dies hatte verheerende Auswirkungen auf ihr tägliches Leben, ihre Kultur und ihre Beziehung zur Natur. Die Bunong-Gemeinschaften wurden vor der Erteilung der ELCs nicht konsultiert und gaben nicht die erforderliche freie, vorherige und informierte Zustimmung. Die Konzessionserteilungen sind somit als illegal zu betrachten.

Die betroffenen Dörfer erreichten, dass 2014 ein tripartiter Verhandlungsprozess mit SOCFIN und den lokalen Behörden nach traditionellen Konfliktlösungsmustern eingeleitet wurde. Der Prozess war vielversprechend und führte zu einigen Lösungen, doch 2016 waren die finanziellen Ressourcen der Gemeinschaften für den Prozess erschöpft, und viele Konflikte blieben ungelöst.

In dieser Situation übernahm die «Independent Mediation Group» (IMG) den Prozess im Auftrag von «Mekong Region Land Governance» (MRLG), einem von der Schweiz, Deutschland und Luxemburg gemeinsam finanzierten Projekt. Dieser Mediationsprozess, der von 2017 bis 2021 läuft, hatte jedoch von Anfang an grundlegende Mängel: Es handelte sich um einen Prozess zwischen Bunong- und SOCFIN-Vertretern, ohne die offiziellen Behörden als eigentliche Verhandlungspartei in den Prozess einzubeziehen. Er war und ist aufgrund einer Vertraulichkeitsvereinbarung sogar für die Dorfbewohner selbst völlig intransparent. Der Prozess brachte kaum Ergebnisse, die nicht schon in den vorangegangenen tripartiten Verhandlungen erreicht worden waren. Nach Abschluss des Prozesses bleiben die Hauptkonflikte um Land, das der Bunong-Bevölkerung entzogen und in Plantagen umgewandelt wurde, ungelöst. Die in diesem Prozess erarbeiteten Dokumente wie auch die vorangegangene Landvermessung und die Unterlagen zur Konzessionserteilung werden unter Verschluss gehalten. Mit mehreren Verhaftungen von Bunong-Bauern im Frühling 2021 ist der Landkonflikt weiter eskaliert. Die grosse Frage ist nun: Wie weiter, um den Bunong endlich zu ihrem Recht zur verhelfen?

In erster Linie ist die kambodschanische Regierung gegenüber ihrer Bevölkerung für den Schutz und die Erfüllung der Menschenrechte verpflichtet. Die Heimatstaaten von SOCFIN – die Schweiz, Luxemburg, Belgien und Frankreich – haben die menschenrechtliche Verpflichtung, zur Behebung von Menschenrechtsverletzungen durch SOCFIN beizutragen. Das Unternehmen selbst hat die Verantwortung, die Menschenrechte zu respektieren und zu diesem Zweck die gebührende Sorgfalt walten zu lassen. Die Annahme der illegal erteilten Konzessionen und die Errichtung von Kautschukplantagen ist ein schwerwiegender Verstoss gegen diese menschenrechtliche Verantwortung.

FIAN Schweiz unterstützt in diesem Landkonflikt die Bunong Indigenous People Association BIPA, zusammen mit weiteren Organisationen. Das erste Ziel besteht darin, Transparenz zu schaffen und die für die Konfliktlösung relevanten Unterlagen zu erhalten. Zu diesem Zweck hat FIAN Schweiz mehrere Gespräche und ausführliche Brief- und Mailwechsel mit dem Seco, dem EDA und der für Kambodscha zuständigen Schweizer Botschaft in Bangkok geführt. Nach Klärung der Situation kann zusammen mit den Bunong-Gemeinschaften und BIPA das weitere Vorgehen zur Konfliktlösung ausgearbeitet werden. Die Schweiz und die andern Heimatstaaten von SOCFIN bzw. Geberstaaten von MRLG werden darin eine wichtige Rolle spielen müssen.

Für die Bunong wichtig ist ein sofortiger Schutz ihres verbliebenen Gemeinschaftslandes und die Überprüfung der Landkonzessionen bezüglich der umstrittenen Gebiete. Leider ist – u.a. wegen der Corona-Krise – nur schon für die ersten Schritte mit einer langen Dauer zu rechnen. Aber wir bleiben dran!

FIAN Schweiz berichtete bereits im Newsletter 2/2019 über die Landkonflikte zwischen SOCFIN und der einheimischen Bevölkerung in Sierra Leone und Liberia.