Schweizer Engagement für weltweite Konzernverantwortung gefordert

Nur das Ständemehr hat entschieden: Der Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative tritt in Kraft mit der Pflicht zu Berichterstattung und Sorgfaltsprüfungen zu Kinderarbeit und Konfliktmineralien. Die Mehrheit der Bevölkerung votierte jedoch im Sinne der Initiative für Menschenrechtsschutz, Sorgfaltsprüfungen, Haftbarkeit und Zugang zum Recht.

Ein gewichtiges Gegenargument lautete, dass die Schweiz sich keinen Alleingang leisten könne und die Initiative daher schädlich wäre für die Schweizer Konzerne. Nun kommen frühere Aussagen unserer Regierung zum Zug: «Der Bundesrat ist der Auffassung, dass mögliche Regelungen in diesem Bereich international breit abgestützt sein sollen, um eine Benachteiligung des Wirtschaftsstandorts Schweiz zu verhindern (level playing field)»[1] und «der Bundesrat […] setzt auf ein koordiniertes Vorgehen auf internationaler Ebene»[2]. Genau darum geht es jetzt: Die Schweiz muss in einem koordinierten Vorgehen auf internationaler Ebene dafür sorgen, dass ein international breit abgestütztes Regelwerk für Konzerne und Staaten geschaffen wird. Selbst der Swissholdings-Präsident sagte nach der Abstimmung: «Wir sind froh über dieses Resultat. Jetzt können wir einen internationalen Lösungsweg einschlagen».

Das Gefäss hierzu existiert bereits: Das entstehende Abkommen der UNO zu Wirtschaft und Menschenrechten. Dieses wird seit 2015 an einer jährlich stattfindenden Sessionswoche in Genf ausgehandelt; mittlerweile liegt der dritte Entwurf des Abkommens auf dem Tisch. Dessen Ziel ist es, Menschenrechtsverletzungen insbesondere durch transnationale Konzerne zu verhindern, Opfern von Menschenrechtsverletzungen den Zugang zu Recht und Wiedergutmachung auch auf internationaler Ebene zu gewährleisten und fehlbare Firmen zur Verantwortung zu ziehen. Das Abkommen wird die Staaten verpflichten, eine Sorgfaltsprüfungspflicht einzuführen, die Haftbarkeit der Unternehmen zu regeln und bei Strafverfolgung und -durchsetzung international zusammenzuarbeiten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Regelungen sind international einheitlich, und transnationale Konzerne können sich nicht mehr elegant nationalen Strafuntersuchungen entziehen.

Mit Verweis auf die ausstehende KVI-Abstimmung und ein fehlendes Verhandlungsmandat hat sich die Schweiz an den bisherigen Verhandlungsrunden kaum beteiligt. Nun ist die rechtliche Ausgangslage in der Schweiz geklärt, und somit kann und muss die Schweiz endlich auch auf internationaler Ebene aktiv werden. Das Volksmehr legitimiert nun den Bundesrat. Nötig ist hierzu die Erteilung eines Mandats durch den Bundesrat, das auch die internationale Situation und Entwicklungen berücksichtigt: Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die bestehenden und entstehenden Regelungen in Frankreich, Grossbritannien, Niederlande, Deutschland und insbesondere den auf nächsten Frühling angekündigten EU-Gesetzesentwurf.

Es ist somit an der Zeit, dass sich die Bundesverwaltung intensiv mit dem Abkommensentwurf auseinandersetzt und – in Konsultation mit der Zivilgesellschaft und dem Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte – bis im Frühling 2021 eine kohärente Position entwickelt. Diese soll als Grundlage für das Mandat dienen, welches im Sommer für die 7. Verhandlungsrunde im Herbst vorliegen muss.

Mit dem Inkrafttreten des Gegenvorschlags ist ein erster minimer Schritt auf nationaler Ebene getan. Nun geht der Einsatz für Menschenrechte im wirtschaftlichen Kontext auf internationaler Ebene weiter. Die Wirtschaft hat sich seit langem globalisiert – jetzt muss auch das Recht globalisiert werden. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen werden sich mit aller Kraft hierfür einsetzen.

[1]     Botschaft zur KVI Ziff. 5.1.1

[2]     Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte 2020-23, Kap. 2.1.2