UN-Abkommen zu Transnationalen Konzernen und Menschenrechten: Neuer Entwurf

Photo: Tom Henning Bratlie/FIAN Norway

Vor einem Jahr wurde der erste Entwurf des Abkommens veröffentlicht und im letzten Herbst von der Zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe, einschliesslich zivilgesellschaftlicher Organisationen wie FIAN, intensiv diskutiert. Vor kurzem wurde nun der überarbeitete Entwurf veröffentlicht.

Eine erste Beurteilung durch FIAN Schweiz fällt eher ernüchternd aus: Der Text bringt zwar einige kleinere Fortschritte, doch insgesamt wenig Neues und leider auch Rückschritte. Ein ansehnlicher Teil der Änderungen betrifft blosse Umstellungen innerhalb des Textes. Sehr zu bedauern ist, dass von der grossen Fülle an detaillierten Vorschlägen und Fragen anlässlich der letzten Session der UN-Arbeitsgruppe nur wenige aufgenommen bzw. geklärt wurden. Die wichtigsten Änderungen sind:

  • Geltungsbereich: Das Abkommen soll nun «auf alle Wirtschaftsaktivitäten» Anwendung finden, «insbesondere, aber nicht beschränkt auf solche mit transnationalem Charakter». Damit wurde der ausschliessliche Fokus auf transnationale Wirtschaftsaktivitäten entgegen dem Mandat der Arbeitsgruppe aufgegeben.
  • Bezugnahme auf die UNGPs: Wie insbesondere von vielen Staaten gefordert, nimmt der Text nun explizit Bezug auf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Damit wird das Abkommen besser in den bestehenden völkerrechtlichen Rahmen eingebettet.
  • Verhältnis zu Wirtschaftsabkommen: Der im ersten Entwurf zwar nur angedeutete, aber explizit benannte Vorrang der Menschenrechte vor Wirtschaftsabkommen ist weggefallen. Damit wird die extreme gegenwärtige Machtasymmetrie zwischen Wirtschaftsinteressen und Menschenrechtsschutz nicht aufgelöst.
  • Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte: Gemäss bisherigem Völkerrecht hatten Unternehmen nur die «Verantwortung», die Menschenrechte zu achten. Neu sollen die Staaten die Unternehmen verbindlich verpflichten, die Menschenrechte zu achten und Menschenrechtsverstösse zu verhindern. Dies ist eine entscheidende positive Entwicklung.

Viele der bisherigen Anliegen der Zivilgesellschaft – und oftmals auch mancher Staaten – blieben unberücksichtigt oder wurden nur ansatzweise aufgenommen. Zu den wichtigsten zählen:

  • Extraterritoriale Staatenpflichten: Das Abkommen soll festhalten, dass die Staaten die Verpflichtung haben, die Menschenrechte auch im Ausland vor Beeinträchtigung durch Unternehmen des eigenen Landes zu schützen.
  • Staatseigene Unternehmen und internationale Finanzinstitutionen: Auch die Aktivitäten staatseigener oder staatsnaher Unternehmen sowie internationaler Finanzinstitutionen sollen explizit unter die Bestimmungen des Abkommens fallen.
  • Sammelklagen: Die Staaten, die das Instrument der Sammelklage noch nicht kennen, sollen verpflichtet werden, diese Möglichkeit einzuführen.
  • Strafrechtliche Haftbarkeit von Unternehmen: Nach textlichen Aufweichungen muss der Entwurf unbedingt wieder versuchen, eine einheitliche und klare Basis für die weltweite Einführung der strafrechtlichen Haftbarkeit von Unternehmen zu schaffen.
  • Gerichtliche Zuständigkeit: Zur Verbesserung des Zugangs zum Recht sollen Gerichte ihre Zuständigkeit nicht mehr ablehnen dürfen, sondern sogar eine Notgerichtsbarkeit anbieten. Die universelle Gerichtsbarkeit für kriminelle Menschenrechtsverstösse ist wieder vorzusehen.
  • Globale Rechtshilfe und Strafverfolgung: Das Abkommen darf es nicht den Staaten überlassen, Rechtshilfeabkommen zu schliessen, sondern soll selbst als globales Rechtshilfeabkommen fungieren. Auch mit weiteren Massnahmen soll der internationalen Strafverfolgung noch erheblich mehr Gewicht gegeben werden.

Aus Sicht von FIAN soll das Abkommen wieder spezifisch auf die schwierige Problematik der transnationalen Wirtschaftsaktivitäten ausgerichtet werden. Und die Zivilgesellschaft wird weltweit fordern, dass der Vorrang der Menschenrechte vor Wirtschaftsabkommen eindeutig festgehalten wird.

An der kommenden 5. Session der UN-Arbeitsgruppe im Oktober wird es vor allem darum gehen, die obengenannten Anliegen und möglichst viele Ergänzungen, Konkretisierungen und Detaillierungen aus dem Vorjahr einzubringen. Auch die Schweiz hat hier die Chance, mit ihrer Expertise – insbesondere auf Seiten des Kompetenzzentrums Menschenrechte an der Uni Zürich – wesentliche Beiträge zu leisten.

Eine erste ausführlichere Beurteilung kann diesem Dokument entnommen werden.

mehr Informationen:

überarbeiteter Entwurf des Abkommens
Erste Beurteilung des überarbeiteten Entwurfs
► Themenseite UN-Abkommen zu TNCs und Menschenrechten
► Webpage der Zwischenstaatlichen UN-Arbeitsgruppe