Recht auf Nahrung von zwei Milliarden Menschen verletzt

26 % der Weltbevölkerung betroffen, darunter 8 % in Europa und Nordamerika

Laut den Mitte Juli in New York vorgestellten Zahlen der Welternährungsorganisation FAO leiden 820 Millionen Menschen weltweit an schwerem Hunger. Damit ist die Zahl der chronisch hungernden Menschen das dritte Jahr in Folge angestiegen. FIAN beurteilt dies als skandalöse Entwicklung, da sich parallel dazu in den vergangenen Jahren die weltweiten Ernten und Nahrungsvorräte deutlich erhöhten.

Die wachsende Ungleichheit zwischen arm und reich ist laut FAO-Bericht eine zentrale Ursache für diese Entwicklung. «Es ist einer der grössten Skandale unserer Zeit, dass trotz ausreichend vorhandener Nahrung so viele Menschen hungern und an den Folgen von Hunger sterben», so Michael Nanz von der FIAN Schweiz. Neben den 820 an schwerem Hunger leidenden Menschen sind weitere 1.3 Milliarden Menschen von mässigem Hunger betroffen: Somit wird das Recht auf Nahrung von über zwei Milliarden Menschen – rund 26 % der Weltbevölkerung – verletzt.

Mit dem diesjährigen Bericht «State of Food Security and Nutrition in the World» (SOFI) hat die FAO den neuen Indikator FIES (Food Insecurity Experience Scale) zur Hungerbemessung berücksichtigt. Er beruht – im Gegensatz zum klassischen Indikator Prevalence of Undernourishment (PoU) – auf konkreten Haushaltsbefragungen. Demnach leiden über zwei Milliarden Menschen an Ernährungsunsicherheit und sind gezwungen, regelmässig Mahlzeiten auszulassen. Hierzu gehören auch 8 % der Bevölkerung in Europa und Nordamerika. Die weltweite Erhebung des FIES-Indikators ermöglicht nach Ansicht von FIAN eine genauere Analyse der Hungerursachen, wenn auch eine Aufschlüsselung der einzelnen Länder weiterhin fehlt.

Die Herausgeber des Berichts, darunter die Direktoren der FAO und des Welternährungsprogramms WFP, sind sich einig, dass die wachsende Ungleichheit zwischen arm und reich, Austeritätsprogramme und mangelnde soziale Sicherheit zentrale Ursachen des Hungers sind. Sie unterstrichen die Notwendigkeit grundlegender politischer Kursänderungen, um die Ursachen des Hungers anzugehen – ein neuer Ton im Vergleich zu den SOFI-Veröffentlichungen der vergangenen Jahre. Was progressiv beginnt, endet jedoch in den altbekannten Forderungen nach einer stärkeren Rolle von Privatsektor und Industrie durch erhöhte Investitionen und Finanzierungen. Keiner der Herausgeber fordert ein stärkeres Engagement für die Menschenrechte.

«Um das Ziel der Weltgemeinschaft zu erreichen, den Hunger bis 2030 zu beenden, warten die Betroffenen weiter auf ein echtes Umdenken in der Politik. Diese verlässt sich weiter einseitig auf die vollmundigen Versprechen der Agrar- und Ernährungskonzerne, die schon seit 50 Jahren erklären, dass ihr industrielles Produktionsmodell den Hunger beenden würde. Die Zahl der Hungernden ist seitdem jedoch gestiegen, obwohl diese Konzerne heute mehr denn je die Ernährung kontrollieren», so Michael Nanz von FIAN Schweiz. Weitere strukturelle Gründe für die hohen Hungerzahlen – die Diskriminierung von Frauen und der ländlichen Bevölkerung, Landgrabbing und die erzwungene Öffnung der Agrarmärkte in Entwicklungsländern – wurden bei der Vorstellung des Berichts ebenfalls kaum berücksichtigt. «In Ländern des Südens werden rund zwei Drittel aller Nahrungsmittel von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern produziert. Diese werden jedoch seit Jahrzehnten systematisch in weniger fruchtbare und abgelegene Gebiete abgedrängt und einem unfairen globalen Wettbewerb ausgesetzt», so Nanz weiter.

Das Recht auf Nahrung wird im UN-Sozialpakt garantiert. In den Nachhaltigen Entwicklungszielen haben die Vereinten Nationen vereinbart, bis 2030 das Recht auf Nahrung für alle Menschen zu verwirklichen.

FIAN wird in den kommenden Wochen eine umfassendere Bewertung der Ergebnisse des SOFI-Berichts 2019 vornehmen und veröffentlichen.

mehr Informationen:

SOFI-Website
► Bericht «State of Food Security and Nutrition in the World» (SOFI)

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