Neues UN-Abkommen über TNC und Menschenrechte: Die Schweiz ist dabei

Im Juni 2014 setzte der UN-Menschenrechtsrat eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe mit dem Auftrag ein, ein internationales rechtlich verbindliches Instrument zur Regulierung der Aktivitäten transnationaler Unternehmen (TNCs) bezüglich Menschenrechten auszuarbeiten. FIAN Schweiz hatte zuvor den Bundesrat in einem offenen Brief ersucht, die entsprechende Resolution zu unterstützen. In seiner Antwort meinte der Bundesrat, die Verabschiedung der Resolution könnte die Debatte über Wirtschaft und Menschenrechte auf längere Zeit polarisieren und die Umsetzung der UN-Leitlinien zu Wirtschaft und Menschenrechten gefährden. Der Vorschlag zur Ausarbeitung eines Abkommens komme deshalb zu früh.

Die zwischenstaatliche Arbeitsgruppe wird am 6. Juli dieses Jahres ihre Arbeit aufnehmen. Im Hinblick darauf haben verschiedene zivilgesellschaftliche Organisation, darunter auch FIAN International, beim UN-Menschenrechtsrat in Genf am 19. März 2015 die Veranstaltung «Legally binding instrument on Business and Human Rights – European perspectives» abgehalten, an der auch verschiedene Regierungsvertreter und FIAN Schweiz teilnahmen.

Der Vertreter der offiziellen Schweiz erklärte, die Schweiz werde an der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe dabei sein. Die Schweiz erachte die UN-Leitlinien zu Wirtschaft und Menschenrechten und das neue Abkommen als komplementäre Instrumente. Die aus den Leitlinien hervorgehenden Nationalen Aktionspläne könnten die Verhandlungen über das neue Abkommen gar bereichern. Wichtig sei die Ausarbeitung auf Konsensbasis, um schlussendlich eine möglichst hohe Zahl an Unterzeichnungen zu erreichen. Hierfür sollen auch zivilgesellschaftliche Organisationen und Wirtschaftsvertreter einbezogen werden.

Offensichtlich hat die Schweiz ihre Haltung weiter entwickelt. FIAN Schweiz kann die obengenannten Aussagen unterstützen, jedoch mit einer Ausnahme: Wir wehren uns entschieden dagegen, dass Wirtschaftsvertreter direkt zur Ausarbeitung des Entwurfs und zu den Verhandlungen zugelassen werden. Erstens kann es grundsätzlich nicht sein, dass Konzerne ihre eigene menschenrechtliche Regulierung mitverfassen. Zweitens handelt es sich hier um einen (zwischen)staatlichen Prozess, d.h. um einen Prozess in grundsätzlich öffentlichem Interesse. Die Wirtschaft verfolgt jedoch ihrer Natur nach Privatinteressen, auch wenn es zuweilen anders dargestellt wird. In diesem Sinn sind Wirtschaftsorganisationen und zivilgesellschaftliche Organisationen, die ihrer Natur nach in gemeinnnützigem und damit öffentlichem Interesse handeln, nicht vergleichbar und können nicht in einem Atemzug genannt werden. Wir haben jedoch nichts dagegen, wenn sich Wirtschaftsvertreter im Rahmen von (öffentlich zugänglichen) Vernehmlassungen äussern.

Die Forderung nach Konsens mit Einbezug der Wirtschaft (und der Zivilgesellschaft) wurde bereits von der EU im letzten Jahr als Vorbedingung für die Rückkehr an den Verhandlungstisch genannt. Die Idee dafür dürfte von der Wirtschaft stammen. Es ist zu hoffen, dass die Schweiz nach der – vielleicht unhinterfragten – Übernahme dieser Forderung sich wieder davon distanziert und gar dagegen wendet. Was den Einbezug der Zivilgesellschaft anbelangt: Die Organisationen mit Beraterstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat der UNO (ECOSOC) haben eh schon Zugang zu den Verhandlungen. Nun geht es noch darum, dass auch weitere Organisationen, die mit dem Abkommen thematisch in Verbindung stehen, Zugang erhalten.

Der «Trick» mit dem Konsensprinzip ist vor dem bedrohlichen Hintergrund zu sehen, dass die globale Wirtschaft derzeit in massivem Ausmass versucht, Einfluss und Macht in Staaten, UN- und anderen internationalen Organisationen sowie in politischen Prozessen zu übernehmen und die demokratische Kontrolle auszuschalten und auszuschliessen («corporate capture»).

Angesichts der immer noch relativ harten Haltung der EU im Vorfeld der Ausarbeitung des Abkommens kann die Schweiz eine wichtige Rolle innerhalb Europas übernehmen. Mit ihrer konstruktiven Haltung kann sie als Beispiel vorangehen und damit EU-Staaten zu einer offeneren Haltung ermutigen. FIAN Schweiz wird die Ausarbeitung des Abkommens in Zusammenarbeit mit FIAN International und der internationalen zivilgesellschaftlichen Treaty Alliance eng begleiten.

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