Ein neues und wichtiges Instrument: Grundsätze zu den Extraterritorialen Staatenpflichten

FIAN begrüsst die Ende September 2011 erfolgte Verabschiedung der «Maastrichter Grundsätze über die Extraterritorialen Staatenpflichten im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte» (► Original auf Englisch / ► deutsche Übersetzung von FIAN Schweiz und FIAN International / ► mehr und html-Version).

Zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten gehören auch die Rechte auf eine angemessene Ernährung und auf Wasser. Extraterritoriale Pflichten sind solche, die jeder Staat gegenüber Menschen in andern Staaten hat. Bis anhin wurde diese Art von menschenrechtlichen Pflichten von den Staaten weitgehend verkannt oder ignoriert; sie waren aber auch juristisch noch nicht genügend präzise gefasst und aufgearbeitet. Damit bestanden Lücken im internationalen Menschenrechtsschutz, die mit der zunehmenden internationalen Verflechtung der Politik und der Globalisierung der Wirtschaft immer schwerwiegender wurden.

Eine Gruppe von 40 herausragenden Experten aus der ganzen Welt hat in den letzten Jahren unter der Leitung des Maastricht Center for Human Rights der Universität Maastricht und der International Commission of Jurists die Grundsätze ausgearbeitet, die die menschenrechtlichen Pflichten der Staaten ausserhalb ihrer Grenzen klären. Unterstützt wurden sie vom ETO Consortium, einem Zusammenschluss von 70 Institutionen bzw. Fachleuten aus dem zivilgesellschaftlichen und akademischen Bereich, zu dem auch FIAN International gehört und das Sekretariat führt (ETO steht für «Extraterritorial Obligations»).

Die Maastrichter ETO-Grundsätze stellen ein äusserst wichtiges Instrument für die Staaten dar, ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen gegenüber dem Ausland zu erkennen, zu klären und zu erfüllen. Sie sind auch ein äusserst wichtiges Instrument für zivilgesellschaftliche Organisationen wie FIAN Schweiz, um den eigenen Staaten ihre Pflichten darzulegen, sie in der Umsetzung zu unterstützen und deren Erfüllung anzumahnen. Dies wird einer der Schwerpunkte der Aktivitäten von FIAN Schweiz im Jahr 2012 sein.

Die Beachtung der extraterritorialen Pflichten in Bezug auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte soll verhindern, dass von der Schweiz nachteilige oder schädliche Wirkungen auf die Bevölkerung im Globalen Süden ausgehen: Es soll nicht auf der einen Seite die Entwicklungszusammenarbeit Nutzen generieren und auf der andern Seite die Missachtung von menschenrechtlichen Pflichten Schaden anrichten. Es gehört zu einer der vorrangigsten Aufgaben der nördlichen Gesellschaften, Volkswirtschaften und Staaten, ihre schädlichen Auswirkungen auf die gefährdeten Bevölkerungen im Globalen Süden zu erkennen und progressiv zu beheben. Die ETO-Grundsätze bieten die erforderliche menschenrechtliche Klärung.

Als Beispiele seien drei zentrale Grundsätze auszugsweise angeführt:

«13.    Verpflichtung zur Vermeidung von Schaden

Staaten müssen von Handlungen und Unterlassungen Abstand nehmen, die ein konkretes Risiko schaffen, dass sie die Wahrnehmung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten ausserhalb ihres Territoriums verunmöglichen oder beeinträchtigen. …»

«14.    Verpflichtung zur Folgeabschätzung und Vorbeugung

Staaten müssen mit öffentlicher Beteiligung eine vorgängige Abschätzung der Risiken und möglichen extraterritorialen Auswirkungen ihrer Gesetze, Strategien und Verfahren auf die Wahrnehmung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte durchführen. Die Ergebnisse der Abschätzung müssen veröffentlicht werden. …»

«24.    Verpflichtung zur Regulierung

Alle Staaten müssen die notwendigen Massnahmen ergreifen um sicherzustellen, dass nicht-staatliche Akteure, die zu regulieren sie …  in der Lage sind, wie private Individuen und Organisationen, transnationale Konzerne und andere Firmen, die Wahrnehmung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten nicht verunmöglichen oder beeinträchtigen. …»

Gerade dieser letzte Grundsatz bildet eine menschenrechtliche Basis der Kampagne «Recht ohne Grenzen».

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