WTO-Ministerkonferenz in Bali: Die Antwort der Schweizer Delegation

Vor gut einer Woche hat FIAN Schweiz einen Aufruf an die Schweizer Delegation gerichtet (s.u.), dafür einzutreten, dass Entwicklungsländer im Interesse der Ernährungssicherheit Lebensmittel-Lagerhaltung betreiben dürfen, ohne dafür mit WTO-Sanktionen bestraft zu werden.

Herr Didier Chambovey von der Schweizer Delegation und Leiter des Bereichs Welthandel im Seco hat uns nun folgende Antwort zukommen lassen: «Besten Dank für Ihre Mail. Da ich letzte Woche selbst in Bali war, komme ich erst jetzt dazu Ihnen zu antworten. Wie Sie sicherlich aus den Medien erfahren haben, ist den WTO-Mitgliedern in letzter Minute eine Einigung auf ein „Bali-Paket“ gelungen. Schlüsselelement für einen Durchbruch in Bali war die Einigung betreffend zusätzliche Flexibilität zugunsten der Entwicklungsländer bei der Ausrichtung gewisser Subventionen für die Ernährungssicherheit. Das in diesem Bereich erzielte Resultat soll Entwicklungsländer unter gewissen Bedingungen vor WTO-Streitbeilegungsverfahren schützen, wenn sie aufgrund der staatlichen Lagerhaltung für die Ernährungssicherheit ihrer Bevölkerung gegen das WTO-Agrarabkommen verstossen. Es handelt sich dabei um eine vorübergehende Massnahme, die solange Anwendung findet, bis man in der WTO eine nachhaltige Lösung für die grundlegenden Schwierigkeiten der Entwicklungsländer in dieser Frage gefunden hat. Das Ausarbeiten einer nachhaltigen Lösung war aus zeitlichen Gründen bis zur WTO-Ministerkonferenz in Bali schlicht nicht möglich gewesen, da die technischen Details sehr komplex sind und die Verhandlungen dementsprechend viel Zeit benötigen.

Zunächst möchte ich noch auf einige allgemeine Punkte aufmerksam machen:

  • Kein WTO-Mitglied hat in den Verhandlungen das legitime Anliegen der Entwicklungsländer bestritten, die staatliche Lagerhaltung als Instrument für die Ernährungssicherheit der Bevölkerung zu nutzen. Das bestehende WTO-Recht verbietet den Entwicklungsländern zudem nicht, Lagerhaltung in ihrem Land vorzunehmen. Eine Vielzahl von Entwicklungsländern macht daher bereits heute davon Gebrauch. Die genaue Ausgestaltung dieser Programme – u.a. auch in Bezug auf die potenziellen Auswirkungen auf die Produktion und den internationalen Handel – kann aber stark variieren und unter Umständen auch die WTO-rechtlichen Verpflichtungen eines Landes tangieren.
  • Während den Verhandlungen im Vorfeld der Ministerkonferenz wurde zunehmend ersichtlich, dass die grosse Mehrheit der Entwicklungsländer den heute verfügbaren WTO-Spielraum für ihre Lagerhaltungsprogramme nicht annähernd ausschöpft.
  • Bei den Entwicklungsländern, die mehr Spielraum für Lagerhaltungsprogramme benötigen, handelte es sich um bedeutende Exporteure gewisser Grundnahrungsmittel. Einige WTO-Mitglieder befürchteten daher, dass diese Programme Einfluss auf die Weltagrarmärkte und somit auch negative Auswirkungen auf nettoimportierende Länder (insbesondere auch andere Entwicklungsländer) haben könnten. Eine grosse Herausforderung in den Verhandlungen war, die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der WTO-Mitglieder einer konsensfähigen Lösung zuzuführen.

Zu Ihren Fragen betreffend die Position der Schweiz:

Die Schweiz hat sich in dieser Frage stets für eine pragmatische Lösung ausgesprochen, welche sowohl die Bedürfnisse gewisser Entwicklungsländer nach mehr Spielraum bei der staatlichen Lagerhaltung zur Ernährungssicherheit berücksichtigt als auch die Möglichkeit negativer Auswirkungen auf die Weltagrarmärkte einschränkt. Unseres Erachtens stellt das in Bali erzielte Resultat einen guten Ausgangspunkt dar, um in den kommenden Jahren in der WTO eine nachhaltige Lösung zu erarbeiten, welche diese Aspekte ebenfalls gebührend berücksichtigt. Die Schweiz hat somit den in Bali vorgelegten Beschlussentwurf vorbehaltslos unterstützt.»

FIAN Schweiz dankt für diese ausführliche Antwort. Der von der Schweiz unterstützte Beschluss gewährt den Entwicklungsländern gewisse Möglichkeiten zur Lagerhaltung im Interesse der Ernährungssicherheit, doch ist diese Regelung auf vier Jahre befristet und mit engen Auflagen versehen. Es wird deshalb entscheidend sein, was in den kommenden Jahren für eine definitive Regelung für diese Thematik ausgearbeitet wird, und dass diese die Anliegen der Ernährungssicherheit und des Rechts auf Nahrung an erster Stelle und uneingeschränkt umsetzt. Wir hoffen, hierzu wiederum einen – frühzeitigen – Austausch mit der Schweizer Vertretung führen zu können.

Eingeordnet unter: News