Unternehmen und Menschenrechte: Ein lückenhafter neuer Schweizer Aktionsplan (NAP)

Kürzlich hat der Bundesrat den zweiten Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) für die Periode von 2020 – 2023 veröffentlicht. Der NAP sollte die Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) durch den Staat und die Wirtschaft voranbringen und gewährleisten: Massnahmen vorsehen, wie der Staat die Menschenrechte (auch im Ausland) schützt, wie die Wirtschaft die Menschenrechte (auch im Ausland) achtet, und wie Opfer Zugang zum Recht erhalten.

Nachdem FIAN Schweiz schon den ersten NAP heftig kritisieren musste, ist leider auch der zweite als weitgehend ungenügend zu bezeichnen:

  • Der Bundesrat setzt weiterhin auf Freiwilligkeit und den guten Willen der Unternehmen. Dieses Wunschdenken setzt den in den UNGPs vorgesehene Smart Mix und die staatliche Schutzpflicht nicht um.
  • Sogar bei den bundesnahen Betrieben «erwartet» der Bundesrat bloss, dass sie eine nachhaltige Unternehmensstrategie verfolgen, und er will sie für eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung bloss «sensibilisieren» und «ermutigen» (S. 13/14). Auch hier offenbart sich eine erstaunliche Führungsschwäche.
  • Neu formuliert der NAP zu jeder Massnahme ein Ziel und einen Indikator, was an und für sich ein erheblicher methodischer Fortschritt ist. Doch es herrscht methodisches Chaos: Statt Massnahmen werden bestehende Situationen oder vergangene Aktionen beschrieben, anstelle von Zielen werden Massnahmen aufgeführt, fast kein Indikator ist mit einer Zielgrösse versehen oder zur Zielerreichung reicht der Nachweis eines einzigen Beispiels …
  • An vielen Stellen bleibt der Aktionsplan vage, summarisch oder unpräzis und lässt Fragen offen. Mancherorts wirkt er schwächlich, wenn nicht völlig unambitioniert.
  • Mit den vielen Rückblicken gleicht er über manche Stellen eher einem Rechenschaftsbericht statt einem in die Zukunft gerichteten, auf Veränderung ausgerichteten Aktionsplan.
  • Der NAP ist output- statt impact-orientiert: Er beschreibt, was die Bundesverwaltung alles macht (oder gemacht hat), und kaum, was für konkrete Wirkungen (bei den potentiell oder tatsächlich von Menschenrechtsverletzungen Betroffenen) erzielt werden sollen.

Der Bundesrat wiederholt, dass er die Konzernverantwortungsinitiative ohne Gegenvorschlag (!) ablehne und auf ein koordiniertes Vorgehen auf internationaler Ebene setze (S. 8). Dann müsste der Bundesrat aber das entstehende UN-Abkommen zu Transnationalen Konzernen und Menschenrechten massiv unterstützen, das genau ein koordiniertes Vorgehen auf internationaler Ebene ist! Stattdessen will er den Verhandlungsprozess bloss «weiter beobachten» (S. 22).

Immerhin scheint die Kritik von FIAN Schweiz zur Behandlung des UN-Leitprinzips 10 im letzten NAP gefruchtet zu haben: In einer von vier Massnahmen befasst sich der NAP nun doch, wenn auch äusserst summarisch, mit den internationalen Finanzinstitutionen, um die es (zusammen mit Handelsinstitutionen) in diesem Leitprinzip eigentlich geht.

Dieser NAP wird leider nicht viel Neues auslösen, er verfolgt kaum klare Ziele, und die Ergebnisse und Wirkungen werden sich kaum messen lassen. Schade für die verpasste Chance!

► mehr: Analyse und Kommentar zum NAP 2020-2023 von zivilgesellschaftlichen Organisationen (Brot für alle, Swissaid, Public Eye, Amnesty Schweiz, Alliance Sud, Unia, SGB, FIAN Schweiz)

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