Einführung von Menschenrechtsverträglichkeits-Prüfungen: Zusammenarbeit mit der Uni Basel

HRIA Presentation Uni Basel

Wie weiss das Bundesparlament, wenn es Handels- und Investitionsschutzabkommen berät, ob deren Auswirkungen nicht Menschenrechte in den Partnerländern verletzen? Wie weiss ein Bundesamt, wenn es Klimaschutzstrategien und -projekte entwickelt, ob diese nicht die Rechte auf Nahrung, Wasser und Land im globalen Süden beeinträchtigen? Wie weiss die Führung einer öffentlichen Pensionskasse, wenn sie eine Anlagestrategie festlegt, ob bestimmte Anlagekategorien nicht das Recht auf Nahrung in Entwicklungsländern gefährden? Ein hervorragendes Instrument, um dies zu ermitteln, ist die Menschenrechtsverträglichkeitsprüfung (MVP) oder menschenrechtliche Folgenabschätzung.

Der Ruf nach dem Einsatz dieses Instruments wird auf nationaler und internationaler Ebene immer lauter. Doch es steht noch keine unmittelbar anwendbare Methodik zur Verfügung, und das Verfahren ist in der Schweiz noch nicht institutionalisiert – ganz im Gegensatz zur langjährig etablierten und bewährten Umweltverträglichkeitsprüfung.

Im Herbst 2015 führte die Universität Basel unter Leitung der Dozentin Elena Pribytkova erstmals eine «Human Rights Clinic» durch. Dies ist ein Intensivseminar mit einer begrenzten Anzahl StudentInnen, die in Kleingruppen ein Thema theoretisch erarbeiten und im Austausch mit einer zivilgesellschaftlichen Organisation praxisbezogen umsetzen. FIAN Schweiz wurde als Partnerorganisation für das Seminarthema «Das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard und Mechanismen für seine Umsetzung» angefragt und konnte u.a. das Thema «Menschenrechtsverträglichkeitsprüfungen» einbringen.

Daraus ist ein über 50seitiges Seminarpapier entstanden. Nach seiner Fertigstellung wird es voraussichtlich im Februar, zusammen mit einer Zusammenfassung von FIAN Schweiz, publiziert. Doch die wichtigsten Punkte schon einmal vorneweg:

  • Die Schweiz ist verpflichtet, für staatliche Strategien, Verhandlungspositionen, Projekte, Massnahmen, Gesetze, Abkommen usw., die Menschenrechte im In- und Ausland gefährden können, MVPs durchzuführen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus den von der Schweiz ratifizierten Menschenrechtsverträgen, UN-Empfehlungen an die Schweiz und anderen Instrumenten in Verbindung mit verschiedenen Artikeln der Bundesverfassung.
  • Eine Methodik mit acht Schritten könnte ein angemessenes Vorgehen für die Durchführung von MVPs sein, wie sich aus der Prüfung verschiedener vorhandener Methodiken ergab.
  • Als Modell für die Institutionalisierung von MVPs in der Schweiz können die rechtliche Verankerung und Regelung der Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die Espoo-Konvention über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen herangezogen werden.
  • Es braucht keine Verfassungsänderung, um MVPs in der Schweiz einzuführen. Zu prüfen ist die Schaffung einer rechtlichen Basis auf Gesetzesstufe. Das Verfahren zur Durchführung von MVPs muss in einer eigenen Verordnung geregelt werden. Es empfiehlt sich, ein staatliches Gremium einzurichten, das sich mit den MVPs befasst.
  • Die Legislativen und Exekutiven aller Staatsebenen (Bund, Kantone, Gemeinden) fallen unter die Pflicht, MVPs durchzuführen für Prozesse, die Menschenrechte im In- und Ausland gefährden können. Diese Elemente – pflichtige Gremien und Prozesse – müssen noch näher definiert werden.
  • Die öffentliche Diskussion über die verbindliche Einführung von MVPs muss noch stark angeregt und gefördert werden.

FIAN Schweiz wird sich um die weitere Konkretisierung der erarbeiteten Grundlagen kümmern und wird zu gegebener Zeit eine öffentliche Veranstaltung zum Thema durchführen.