Welternährungstag 2014: 10 Jahre freiwillige Leitlinien für das Recht auf Nahrung

Am heutigen Welternährungstag können wir auf die ersten 10 Jahre des Bestehens der FAO-Leitlinien für das Recht auf Nahrung zurückblicken. Aus diesem Anlass fragen wir uns: Wie aktuell sind diese Leitlinien nach 10 Jahren, und was bedeuten sie heutzutage für die Schweiz?

Analysen durch zivilgesellschaftliche Organisationen zeigen, dass die Leitlinien auch nach 10 Jahren immer noch vollständig gültig und relevant sind, und dass sie in den kommenden Jahren eine noch grössere Rolle spielen sollten. Die grössten Herausforderungen werden sein, auf der Basis der Leitlinien auf globaler und nationaler Ebene die Kohärenz aller relevanten Politikfelder (einschliesslich Handel und Investitionen, Landwirtschaft, Gesundheit, Umwelt, Ressourcen) mit dem Recht auf Nahrung zu erreichen und die weltweite Demokratisierung der Landwirtschafts- und Ernährungssysteme insbesondere unter Beteiligung der von Hunger und Mangelernährung Betroffenen voranzutreiben. Eine schwere Gefährdung erfährt die Umsetzung der Leitlinien durch mächtige wirtschaftliche Interessen, die sich auf globaler und nationaler Ebene systematisch den Bemühungen entgegenstellen, in Politik und Wirtschaft die Kohärenz mit den Menschenrechten und die Rechenschaftsablage zu fördern.

Die Leitlinien wurden zwar hauptsächlich als Werkzeugkasten für die Länder des Globalen Südens ausgesarbeitet, um Hunger, Unter- und Mangelernährung zu überwinden. Doch überraschenderweise zeigt sich nun, dass mit der Globalisierung verschiedener Probleme die Leitlinien auch für die Länder des Nordens aktuell und wichtig werden: zunehmendes Land Grabbing und Landkonzentration mit Rückgang bäuerlicher Familienbetriebe in verschiedenen Ländern Europas, Industrialisierung der Landwirtschaft (auch für den Anbau von Kulturen zur energetischen Verwertung) mit Umweltschäden, Patentierung von Pflanzensorten und industriefreundliche Regulierung von Saatgutproduktion und –vermarktung, ungesunde Ernährung aufgrund von Verarmung (working poor u.a.), aggressiver Werbung der Lebensmittelindustrie und mangelnder Ernährungsbildung – diesen zunehmenden Tendenzen gilt es, u.a. mit Hilfe der Leitlinien zu begegnen.

Die Schweiz ist von diesen Entwicklungen, abgesehen von ungesunder Ernährung, dank eines starken bäuerlichen Bodenrechts und einer moderaten Saatgutregulierung bisher weitgehend verschont geblieben. Diese Errungenschaften gilt es zu verteidigen und – z.B. bei der Saatgutregulierung – zu verbessern. Die Leitlinien bieten jedoch für die schweizerische Politik andere Grundlagen: Sie zeigen auf, in welche Richtungen die Schweiz im Interesse des Rechts auf Nahrung in internationalen Gremien hinarbeiten soll, welche Positionen sie vertreten soll. Dies gilt z.B. für die Vertretungen im UN-Menschenrechtsrat (in Zeiten der Mitgliedschaft), bei der Weltbank, bei regionalen Entwicklungsbanken, bei der WTO, bei der FAO u.a. Die aufgrund der Leitlinien zu verfolgenden Positionen und Stossrichtungen sind u.a.: Unterstützung der mittelständischen und kleingewerblichen Landwirtschaft, Fischerei und Waldwirtschaft; Förderung kleiner lokaler und regionaler Märkte; Verbesserung und Schutz des Zugangs zu Ressourcen wie Land, Wasser, Saatgut, Fischgründen, Wald, angepasste Technologie und Finanzmitteln; Fokussierung auf gefährdete Gruppen wie Arme, Frauen, indigene Gemeinschaften und Nomaden; Fokussierung auf die Grundnahrungsmittelproduktion; Schaffung und Schutz angemessener Arbeitsbedingungen und Entlöhnung für ArbeitnehmerInnen auf dem Land und in Städten; Schutz der Ökosysteme und der Nachhaltigkeit; Förderung der Dienstleistungen für die kleinbäuerliche Landwirtschaft (Leitlinien 2.6, 3.7, 4.5 und 8).

Eingeordnet unter: News