Unternehmen und Menschenrechte: UNO-Expertenkomitee bestätigt fehlende Fortschritte der Schweiz

Nach der letzten Prüfung der Schweiz vor dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) forderten die Experten die Schweiz auf, einen Folgebericht über die Umsetzung ihrer Empfehlungen § 9 (Nationale Menschenrechtsinstitution), § 11 (Unternehmen und Menschenrechte) und § 41 (Kinderbetreuungseinrichtungen) vorzulegen.

Die Schweiz legte dem Ausschuss diesen Zwischenbericht im August 2021 vor. Dieser Bericht war äusserst knapp und widerspiegelte die Bedenken der Zivilgesellschaft nicht. Die Arbeitsgruppe UNO-Pakt I der NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz verfasste daher einen Beitrag zu diesen drei Empfehlungen.

Nach der Prüfung dieser Berichte sandte der Ausschuss am 14. April 2022 ein Schreiben an die Schweizer Behörden, um ihnen seine Bewertung mitzuteilen. Die Bewertung des Ausschusses stellt einen teilweisen Fortschritt bei den Empfehlungen in § 9 und § 41 und keinen Fortschritt bei der Empfehlung in § 11 fest.

Unternehmen und Menschenrechte (§ 11)

Im Jahr 2020 stimmte die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler der Konzernvernatwortungsinitiative zwar zu, sie scheiterte aber am Ständemehr.

Die alternativen Massnahmen des Bundesrates (Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte und Gegenvorschlag zur Initiative), um seiner Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte nachzukommen, sind völlig unzureichend. Zudem ist zu betonen, dass der Gegenvorschlag nicht alle Menschenrechte berücksichtigt.

Wir wollen nicht, dass die Schweiz «ein verantwortungsvolles Verhalten der Unternehmen fördert», sondern dass sie im Gegensatz zu den vorgeschlagenen rein freiwilligen Massnahmen einen verbindlichen Rechtsrahmen schafft, um weitere Menschenrechtsbeeinträchtigungen und Umweltzerstörungen zu verhindern. Nach dem Vorbild unserer europäischen Nachbarn muss die Schweiz ihren Verpflichtungen nachkommen und eine Sorgfaltspflicht für alle Menschenrechte vorschreiben. Darüber hinaus hat die Schweiz, wie der Ausschuss betont, keine Massnahmen ergriffen, um den Zugang zur Justiz für Opfer von Menschenrechtsbeeinträchtigungen zu gewährleisten, die im Ausland von Schweizer Unternehmen begangen wurden.

Die Analyse des Ausschusses bestätigt, dass die Schweiz keine Fortschritte im Hinblick auf die Umsetzung der Empfehlung in § 11 gemacht hat.

Für die Zivilgesellschaft ist es heute über die Regulierung von Unternehmen mit Sitz im Inland hinaus unerlässlich, dass die Schweiz auch aktiv an den Verhandlungen zum UNO-Abkommen über transnationale Wirtschaft und Menschenrechte teilnimmt und die Ausarbeitung dieses verbindlichen und notwendigen Instruments unterstützt.

Nationale Menschenrechtsinstitution (NMRI) § 9

In Bezug auf die Empfehlung in § 9 zu einer nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI) begrüssen der Ausschuss und die Zivilgesellschaft die im Dezember 2019 angekündigte Entscheidung des Bundesrates, eine ständige NMRI mit einer gesetzlichen Grundlage zu schaffen. Diese Institution, die für die Überwachung der Umsetzung der Menschenrechte auf nationaler Ebene von zentraler Bedeutung ist, wird seit über 20 Jahren gefordert und wird 2023 endlich die Nachfolge des Schweizer Kompetenzzentrums für Menschenrechte antreten. Wie der Ausschuss betont hat, muss sie jedoch mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet werden, um funktionsfähig zu sein und ihre Unabhängigkeit zu gewährleisten. Die Schweiz hat jedoch nur eine Million Franken pro Jahr zur Verfügung gestellt, was angesichts der Modelle in den Nachbarländern bei weitem nicht ausreicht, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Ein vergleichbares Beispiel ist Schweden, das für seine NMRI ein jährliches Budget von 5 Millionen Euro bereitstellt.

Darüber hinaus hat die Schweiz die Empfehlung des Ausschusses, «die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, die Institution mit der Befugnis auszustatten, Beschwerden und Petitionen zu individuellen Situationen entgegenzunehmen und zu prüfen», nicht berücksichtigt und bestätigt, dass sich die NMRI nicht mit Einzelfällen befassen werde. Der Ausschuss ist daher der Ansicht, dass teilweise Fortschritte erzielt wurden und fordert die Schweiz auf, in ihrem nächsten periodischen Bericht Informationen über zusätzliche Massnahmen zu liefern, die der Vertragsstaat zur Umsetzung der Empfehlung in § 9 ergriffen hat.

Diese Mängel beunruhigen die Zivilgesellschaft, die in Frage stellt, ob die Schweizer NMRI dem A-Status der Pariser Prinzipien entspricht. Matthias Hui, Koordinator der Schweizer NGO-Plattform für Menschenrechte, sagte: «Mit einer schlecht ausgestatteten nationalen Menschenrechtsinstitution mit begrenztem Mandat wird die Schweiz ihre Glaubwürdigkeit in Menschenrechtsfragen verlieren».

Zusammenfassend lässt sich sagen,

dass der von der Verwaltung vorgelegte Zwischenbericht zeigt, wie wenig die Schweiz ihre internationalen Verpflichtungen beachtet. Der Bundesrat wartet ab und nimmt seine Verantwortung nicht wahr, obwohl die Schweiz mit gutem Beispiel vorangehen und in vielen Bereichen innovative Massnahmen vorschlagen könnte. Wie lange will die Schweiz sich noch als Nachzügler begnügen, um verbindlichen Regelungen so lange wie möglich aus dem Weg zu gehen aus Angst, sie könnten sich negativ auf die Wirtschaft auswirken? Es ist höchste Zeit, die Menschenrechte und den Schutz der Umwelt über wirtschaftliche Interessen zu stellen und sich gemäss den heutigen Herausforderungen zu bewegen.

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