Transnationale Konzerne und Menschenrechte: Der Bundesrat antwortet FIAN Schweiz

Antwort EDA 2015-07-31Ende Juni sandte FIAN Schweiz im Hinblick auf die erste Session der Zwischenstaatlichen UN-Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung eines Abkommens über Transnationale Konzerne und Menschenrechte einen offenen Brief an Bundesrat Burkhalter. FIAN Schweiz ersuchte den Bundesrat insbesondere um die Erteilung eines spezifischen Mandats an die Vertretung der Schweiz.

Mit Brief vom 31. Juli 2015 hat der Bundesrat nun geantwortet, wofür wir bestens danken. Die Antwort fällt leider ziemlich unspezifisch aus und geht kaum auf unsere Anregungen ein, sie wiederholt dafür die bekannte Position der Schweiz.

Grundsätzliches Missverständnis von Aufgabe und Inhalt des Abkommens

Der Bundesrat möchte weiterhin die «Umsetzung der UNO-Leitlinien zu Wirtschaft und Menschenrechten prioritär verfolgen» und sich noch nicht an der Ausarbeitung eines Abkommens beteiligen. Er schreibt, es «sollte zu gegebenem Zeitpunkt darüber Bilanz gezogen werden, wie die UNO-Leitlinien von Staaten und Unternehmen umgesetzt werden […]. Im Moment sind eine solche Beurteilung und eine Aussage zu einem eventuellen völkerrechtlichen Handlungsbedarf aber verfrüht. Die Erfahrungen […] sollten in künftige Diskussionen über rechtsverbindliche Abkommen einfliessen und könnten dazu beitragen, deren Umfang und Inhalt genauer zu definieren.»

Die Stellungnahme von FIAN Schweiz:

  • Leitprinzipien und Abkommen haben grundsätzlich verschiedene Funktionen. Das Abkommen wird nicht bloss dazu dienen, die sich in der Umsetzung der UN-Leitprinzipien zeigenden Mängel völkerrechtlich zu beheben. Das Abkommen soll Anliegen umsetzen, die die Leitprinzipien per se gar nicht können: Insbesondere die Beendigung der Straflosigkeit von transnationalen Unternehmen durch international koordinierte Überwachung, Strafverfolgung und Bestrafung, die Harmonisierung der nationalen Rechtssysteme und den zwingend zu ermöglichenden Zugang zu Rechsmitteln für Opfer. Da nur ein verbindliches Instrument den vollständigen Schutz im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte erreichen kann, wurde das Projekt des Abkommens schon jetzt und unabhängig vom Erfolg der Leitprinzipien angepackt.
  • Es macht deshalb keinen Sinn, die Entscheidung über die Beteiligung am Abkommen von einer künftigen Bilanzierung der Umsetzung der UN-Leitprinzipien abhänging zu machen. Diese Entscheidung muss jetzt fallen.

Multistakeholderismus oder Regulierung?

Der Bundesrat schreibt, «Instrumente zum Schutz der Menschenrechte sind umso effektiver, je breiter die Unterstützung ist, die sie geniessen. Deshalb beteiligt sich die Schweiz auch im Bereich der Unternehmensverantwortung für Menschenrechte an inklusiven Prozessen, in denen, wo angebracht, alle relevanten Interessengruppen vertreten sind.» Das heisst im Klartext: Die Schweiz setzt weiterhin (ausschliesslich) auf Multistakeholder-Prozesse, bei denen auch die Wirtschaft bei der Ausarbeitung von Menschenrechts-Instrumenten mitwirken soll.

Die Stellungnahme von FIAN Schweiz:

  • Es kann nicht sein, dass der Staat die Unterstützung der Wirtschaft für den Schutz der Menschenrechte braucht oder nur schon sucht! Dies ist zwar erforderlich bei freiwilligen Instrumenten wie den UN-Leitprinzipien, nicht aber bei zwingenden Instrumenten wie bei einem Abkommen.
  • Es ist die Aufgabe des Staates, zu regulieren sowie Vergehen dagegen zu ahnden und für Wiedergutmachung zu sorgen – und nicht, bloss Empfehlungen auszuarbeiten und bei deren Umsetzung auf die Unterstützung der Wirtschaft zu hoffen.

Das Abkommen breit abstützen

Der Bundesrat schreibt, «ein von wenigen Staaten unterzeichnetes Abkommen […] würde auch nicht zu einer einheitlichen Lösung beitragen». Einverstanden! Damit gibt sich eigentlich der Bundesrat gerade selbst den Auftrag, an der Ausarbeitung des Abkommens mitzuwirken und andere (nördliche) Staaten ebenfalls dazu zu bewegen. Ohnehin ist die Schweiz gemäss «Maastrichter Prinzipien zu den Extraterritorialen Staatenpflichten im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte» dazu angehalten: «Alle Staaten sind zur Zusammenarbeit verpflichtet um sicherzustellen, dass nicht-staatliche Akteure bei keiner Person den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte beeinträchtigen» (Prinzip 27). Hoffnungsvoll stimmt diesbezüglich die Aussage «La Suisse considère que le dialogue est essentiel» in der Erklärung der Schweiz vom 6. Juli in der UN-Arbeitsgruppe: Als Beobachterin kann man ja keinen Dialog führen.

Kein Bruch der Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte

Die Schweiz ist vertraglich zum Schutz der Menschenrechte verpflichtet. Die ausschliessliche Ausrichtung auf die Umsetzung der freiwilligen UN-Leitprinzipien im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte kommt dieser Verpflichtung ungenügend bzw. gar nicht nach. Ein umfassender Schutz kann nur durch ein verbindliches Instrument, und nicht bloss durch Empfehlungen und deren erhoffte Umsetzung erreicht werden. Dementsprechend hält FIAN International fest: «Die Vermeidung rechtlicher Regulierung von transnationalen Konzernen und die Abstützung auf moralische Pflichten und/oder Corporate Social Responsibility bricht die menschenrechtliche Schutzpflicht von Staaten und der internationalen Gemeinschaft».

FIAN Schweiz wird mithilfe weiterer Kreise weiterhin darauf hinwirken, dass hier nicht eine schwerwiegende Lücke in der schweizerischen Menschenrechtsschutzpolitik entsteht. Die nächste Chance, von der passiven Beobachterin zur aktiven Teilnehmerin zu wechseln, bietet sich der Schweiz an der 2. Session der Zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe. Bereits im Vorfeld kann die Schweiz den Prozess explizit unterstützen und andere (nördliche) Staaten dazu motivieren, ebenfalls aktiv teilzunehmen.

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