Ja zur Initiative für Ernährungssouveränität

Am 23. September kommt die Volksinitiative für Ernährungssouveränität zur Abstimmung. FIAN Schweiz empfiehlt ein Ja. Ernährungssouveränität und das Recht auf Nahrung sind eng miteinander verbunden.

Was ist Ernährungssouveränität?
Was will die Volksinitiative für Ernährungssouveränität?
Was ist das Recht auf Nahrung?
Wie verhalten sich Ernährungssouveränität und das Recht auf Nahrung zueinander?
Wieso befürwortet FIAN Schweiz die Initiative für Ernährungssouveränität?

Was ist Ernährungssouveränität?

Ernährungssouveränität ist grundsätzlich das Vermögen einer Bevölkerung oder eines Landes, eigenständig über die Landwirtschafts- und Ernährungspolitik zu bestimmen: Welche Produkte soll die Landwirtschaft wie, wo, wofür und für wen erzeugen? Was wollen wir einkaufen und essen können? Wie gestalten wir den internationalen Handel mit Landwirtschaftserzeugnissen?

Das Konzept der Ernährungssouveränität wurde Ende letztes und Anfang dieses Jahrhunderts von Kleinbauernorganisationen wie La Via Campesina und sozialen Bewegungen auf internationaler Ebene entwickelt. Darauf basierend haben schweizerische Organisationen die Mindestkriterien für die Ernährungssouveränität im Kontext der Schweiz erarbeitet.

Was will die Volksinitiative für Ernährungssouveränität?

Basierend auf den Mindestkriterien hat das Initiativkomitee das allgemeine Konzept der Ernährungssouveränität für die Schweiz konkretisiert. Die Initiative will unter anderem,

  • dass der Bund eine einheimische bäuerliche (d.h. nicht-industrielle) Landwirtschaft, die einträglich und vielfältig ist, fördert,
  • dass die Landwirtschaft den Bedürfnissen der Bevölkerung und ihren ökologischen Erwartungen entspricht
  • dass der Bund auf eine Versorgung mit überwiegend einheimischen Lebens- und Futtermitteln achtet,
  • dass den Bäuerinnen und Bauern das Recht auf Nutzung, Vermehrung, Austausch und Vermarktung von Saatgut erhalten bleibt,
  • dass in der Landwirtschaft auch nach dem Auslaufen des Moratoriums der Einsatz genetisch veränderter Organismen verboten ist,
  • dass in den landwirtschaftlichen Produktionszweigen und -ketten gerechte, d.h. kostendeckende Preise festgelegt werden,
  • dass die regionalen Verarbeitungs-, Lagerungs- und Vermarktungsstrukturen gestärkt werden,
  • dass die Anzahl der in der Landwirtschaft Tätigen wieder erhöht wird und schweizweit einheitliche und angemessene Arbeitsbedingungen herrschen,
  • dass der Bund zum Erhalt der einheimischen Produktion Zölle auf der Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen erheben und deren Einfuhrmenge regulieren kann, insbesondere auch zur Förderung einer Produktion unter guten sozialen und ökologischen Bedingungen im Ausland,
  • dass der Bund keinerlei Subventionen für die Ausfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen ausrichtet.

Damit ist die Initiative auf eine starke einheimische und regional orientierte, vielfältige, nachhaltige und nicht-industrielle Landwirtschaft ausgerichtet, die vielen Menschen Arbeitsplätze und ein anständiges Einkommen bietet und die Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllt.

Was ist das Recht auf Nahrung?

Das Recht auf Nahrung ist ein staatsvertraglich verankertes Menschenrecht. Es spricht jedem Menschen das Recht zu, sich jederzeit angemessen, in Würde und auf nachhaltiger Basis selbst ernähren zu können, sei es durch Kauf von gesunden Lebensmitteln oder durch eigenen Anbau, Zucht oder Fang. Die Staaten haben die Verpflichtung, die Erfüllung dieses Rechts mit den erforderlichen Strategien und Massnahmen zu gewährleisten und dieses Recht vor Beeinträchtigungen durch Dritte zu schützen. Wo das Recht auf Nahrung nicht gewährleistet ist und der Staat seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, kann es eingeklagt werden.

Wie verhalten sich Ernährungssouveränität und das Recht auf Nahrung zueinander?

Ernährungssouveränität als politisches Konzept stützt sich unter anderem auf das Recht auf Nahrung als rechtliches Instrument. Ernährungssouveränität strebt unter anderem die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung an. Oder umgekehrt ausgedrückt: Das Recht auf Nahrung ist eine Grundlage für die Inanspruchnahme von Ernährungssouveränität, und das Recht auf Nahrung als zu erreichendes Ziel kann mittels Ernährungssouveränität verwirklicht werden.

Obwohl unterschiedlichen Bereichen entsprungen und in unterschiedlichen Bereichen angesiedelt, sind Ernährungssouveränität und das Recht auf Nahrung eng miteinander verbunden.

Wieso befürwortet FIAN Schweiz die Initiative für Ernährungssouveränität?

Die Initiative strebt eine nicht-industrielle, ökologische Landwirtschaft in der Schweiz an. Zudem will sie mit Einfuhrzöllen oder einem Einfuhrverbot auf Produkten, deren Herstellung nicht den sozialen und ökologischen Normen der Schweiz entspricht, keine Nachfrage nach industriellen Landwirtschaftsprodukten im Ausland auslösen. Die sich weltweit massiv ausdehnende industrielle Landwirtschaft ist verbunden mit Vertreibungen von lokalen Gemeinschaften, Arbeitslosigkeit und Ausbeutung von LandarbeiterInnen, Vergiftung von Böden, Wasser, Luft und Menschen, Anbau von Exportprodukten statt von Grundnahrungsmitteln – und damit von schweren Beeinträchtigungen des Rechts auf Nahrung.

Die Initiative strebt eine Versorgung mit überwiegend einheimischen Lebens- und Futtermitteln an. Dies soll verhindern, dass im globalen Süden grössere Landwirtschaftsflächen für die Erzeugung von Lebensmitteln (z.B. Gemüse, Rind- und Pouletfleisch, Palmöl) oder Futtermitteln (z.B. Soja für die Pouletmast) für den Konsum in der Schweiz besetzt werden. Diese Flächen entstehen oft durch Vertreibung lokaler Gemeinschaften und Abholzung von Regenwald. Sie stehen nicht mehr für den Anbau von Grundnahrungsmitteln für den lokalen Verbrauch zur Verfügung, was deren Preise ansteigen lässt. Vertreibungen und Preisanstiege bedeuten ebenfalls schwere Beeinträchtigungen des Rechts auf Nahrung.

Die Initiative will das Verbot von Subventionen für den Export landwirtschaftlicher Produkte in der Verfassung festschreiben (zusätzlich zum entsprechenden Beschluss der Welthandelsorganisation WTO und zum bestehenden gesetzlichen Nachvollzug in der Schweiz). Verbilligte landwirtschaftliche Exporte in den globalen Süden haben schon vielerorts das Preisgefüge auf den lokalen Märkten und die Existenz lokaler Produzenten, ja ganzer Landwirtschaftszweige zerstört und zur Abhängigkeit von Lebensmittelimporten geführt. Exportsubventionen stellen damit eine grosse Gefahr für das Recht auf Nahrung dar.

Die Initiative will den Bäuerinnen und Bauern das Recht auf Nutzung, Vermehrung, Austausch und Vermarktung von Saatgut sichern. Die globalen Saatgutkonzerne sind daran, sich über Patente, internationale Abkommen und Sortenschutzgesetze die totale Kontrolle über die Erzeugung, Vermarktung und Verwendung von Saatgut zu erringen, die traditionelle Zucht, Erzeugung, Weitergabe und Tausch von Saatgut zu verdrängen und den Bauern diese Rechte zu nehmen. Dies hat verheerende Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Produktionskosten, die Sortenvielfalt, die Anpassung an den Klimawandel und damit die langfristige Sicherung der Welternährung.

Und zuletzt bedeutet eine ökologische, regional orientierte Landwirtschaft auch Klimaschutz – was wiederum dem Recht auf Nahrung zugute kommt.

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