Corona-Massnahmen fördern einseitig industrielle Lebensmittelversorgung

FIAN legt den zweiten Bericht zu den Auswirkungen der COVID 19-Pandemie auf das Recht auf Nahrung vor. Der Report stützt sich auf Dutzende von Recherchen von Partnergruppen auf der ganzen Welt. Beleuchtet werden die Auswirkungen der Pandemie in über 30 Ländern.

Aktuell mehren sich Zeichen, dass die Corona-Pandemie die weltweite Ernährungslage gefährdet. Bis zu 70 Prozent der Bevölkerung in Ländern des Südens arbeiten in der Landwirtschaft: Vielen von ihnen droht Überschuldung und der Verlust von Ackerland, Haus und Tieren. Stark betroffen sind auch die rund zwei Milliarden Menschen, die ohne Sozial- oder Gesundheitsvorsorge im informellen Sektor arbeiten. Einkommensverluste – u.a. durch Ausgangssperren – führen für sie innerhalb von kurzer Zeit zu Ernährungsproblemen.

FIAN kritisiert, dass vielerorts Massnahmen gegen die Pandemie so ausgerichtet sind, dass die industriellen Ernährungssysteme gestärkt werden. Kleinbäuer*innen und lokale Handels- und Vermarktungswege hingegen werden vernachlässigt oder sogar an den Rand gedrängt. Dadurch werden speziell diese Berufs- und Bevölkerungsgruppen weiter in Hunger und Armut getrieben.

Lokale Märkte mit frischen und gesunden Lebensmitteln wurden in vielen Ländern geschlossen und Strassenverkäufe verboten, währenddem Supermärkte geöffnet bleiben. Der ohnehin bedenkliche Konzentrationsprozess im Lebensmittelhandel wird hierdurch weiter beschleunigt. Die Schliessung der Märkte liess Ernten unverkauft und vernichtete Nahrung, nahm Hunderttausenden von Kleinproduzent*innen ihr Einkommen und verwehrte Millionen von Menschen der Zugang zu frischen und gesunden Lebensmitteln.

Die Unterstützung der Lebensmittel- und Einzelhandelskonzerne geschieht oftmals auf dem Rücken der Arbeiter*innen. Beschäftigte in der industriellen Fleischproduktion in Europa und den USA und landwirtschaftliche Wanderarbeiter*innen in Europa sind deutlich stärker Infektionen und prekären Arbeitsbedingungen ausgesetzt.

«Wir benötigen lokale Vermarktungsstrategien, Schutz vor Landverlust in Zeiten finanzieller Not und eine krisenfeste Landwirtschaft sowohl für künftige Pandemien als auch im Hinblick auf den Klimawandel. Die Spekulation mit Nahrungsmitteln wie nach der Finanzkrise muss verhindert werden», fordert der Vorstand von FIAN Schweiz.

Erfreulich ist, dass die Lockdowns vielfältige Solidaritätsaktionen sowohl in ländlichen Gebieten als auch in Städten ausgelöst haben. Spanien, Brasilien, Südafrika und Kolumbien sind Beispiele dafür, dass sich lokale Gemeinschaften und soziale Bewegungen mobilisiert haben, um den Zugang zu nahrhaften Nahrungsmitteln zu sichern.

Weitere Informationen:
Monitoring Report on the Right to Food and Nutrition during COVID-19. Zweiter Bericht von FIAN International, Juni 2020, 22 S.
Impact of COVID-19 on the Human Right to Food and Nutrition. Erster Bericht von FIAN International, April 2020, 10 S.
Covid-19 und das Recht auf Nahrung: Übersicht. Artikel von FIAN Schweiz, April 2020.