UN-Abkommen zu TNCs und Menschenrechten: ein Schritt weiter

igwg_tnc_hr_20161027Seit 2015 beraten Staaten im Rahmen einer Zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe der UNO die Ausarbeitung eines Abkommens («Treaty») zu Transnationalen Konzernen (TNCs) und Menschenrechten (siehe die Themenseite von FIAN Schweiz). Die kürzlich abgeschlossene zweite Session hat den Prozess einen Schritt weiter gebracht. In verschiedenen Panels wurden Auswirkungen von TNCs, Staatenpflichten in Bezug auf TNCs und Menschenrechte, Verpflichtungen und Verantwortungen von TNCs, Ansätze und Kriterien für den Rahmen des künftigen Instruments, die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit und der Zugang zu Rechtsmitteln beleuchtet und diskutiert (vgl. das Arbeitsprogramm). Bei der Stärkung der Zusammenarbeit stand das Vorankommen in der Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und deren Beziehung zur Ausarbeitung des Abkommens im Vordergrund.

Nachdem bei der ersten Session verschiedene Seiten darauf hinwiesen, dass das neue Abkommen als komplementär zu den UN-Leitprinzipien zu verstehen sei, lag der Schwerpunkt nun eher darauf, dass das neue Abkommen explizit auf diesen Prinzipien basieren, sie in verbindlicher Form umsetzen, ergänzen und erweitern soll. FIAN Schweiz unterstützt diese Haltung. Das Abkommen wird damit auf demselben Boden gründen wie die Nationalen Aktionspläne oder die Konzernverantwortungsinitiative in der Schweiz.

Die EU und verschiedene ihrer Mitgliedstaaten waren – im Unterschied zur ersten Session – während der ganzen Sessionsdauer anwesend und haben sich einige Male geäussert. Die EU hat den Treaty-Prozess offensichtlich akzeptiert und dürfte sich nun auf dessen Mitgestaltung konzentrieren, auch wenn sie nach wie vor dem Prozess sehr kritisch gegenübersteht und die engere Umsetzung der UN-Leitprinzipien stark in den Vordergrund stellt. Aber letztendlich ist auch die Ausarbeitung des Abkommens eine Umsetzung der Leitprinzipien, da diese internationale Zusammenarbeit verlangen (u.a. Leitprinzip 10c) und das Abkommen in den Leitprinzipien gründen soll.

Von den europäischen Staaten waren gemäss Entwurf des offiziellen Berichts Belgien*, Deutschland*, Finnland*, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien*, Irland*, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen*, Österreich, Portugal*, Rumänien*, Russland, die Schweiz, Serbien*, Slowakei*, Spanien*, die Tschechische Republik*, die Ukraine, Weissrussland* anwesend, haben sich jedoch – im Unterschied v.a. zu den lateinamerikanischen Staaten – kaum geäussert. Als weitere hochentwickelte Staaten waren Australien*, Japan*, Korea und Singapur vertreten; die USA glänzten wiederum durch Abwesenheit. Die vielen mit * markierten Staaten waren neu dabei, was eine bedeutende Entwicklung gegenüber der ersten Session darstellt.

Der Prozess dürfte tatsächlich den Punkt erreicht haben, wo es nicht mehr um die Frage geht, ob überhaupt ein Abkommen ausgearbeitet werden soll, sondern darum, was seine Inhalte und seine Form sein sollen. Nicht überraschend liegen jedoch die Ansichten zur Gestaltung des Verhandlungsprozesses z.T. noch weit auseinander. Die Polarisierung zwischen Staaten des globalen Nordens und des globalen Südens, die der Mandatserteilung durch den Menschenrechtsrat noch in der ersten Session vorgeworfen wurde, scheint mittlerweile kein Thema mehr zu sein.

Die Schweiz hat ihre bisherige Rolle als blosse Beobachterin aufgegeben (worauf FIAN Schweiz seit letztem Jahr gedrängt hatte) und zwei Erklärungen abgegeben (siehe hier und hier). Auch das Seco (Staatssekretariat für Wirtschaft) war an einem Tag anwesend und hat somit ein gewisses Interesse am Prozess signalisiert. FIAN Schweiz begrüsst diese Entwicklung der schweizerischen Haltung, da sie einen Schritt hin zu einer aktiven Menschenrechtsaussenpolitik in diesem Verhandlungsrahmen darstellt. Nur mit einer aktiven und konstruktiven Teilnahme kann die Schweiz ihrer vertraglich eingegangenen Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte vor Verstössen Dritter – also auch Transnationaler Konzerne – nachkommen. Dafür muss noch allen beteiligten Bundesstellen bewusst werden, dass allein die Summe der unterschiedlichen nationalen Gesetzgebungen bzw. Nationalen Aktionspläne nicht ausreicht. Für einen wirksamen Menschenrechtsschutz braucht es untereinander einheitliche nationale Gesetzgebungen und eine effiziente internationale Zusammenarbeit bei Ermittlung, Strafverfolgung und Strafdurchsetzung bei Menschenrechtsverstössen und zur Gewährung von wirksamen Rechtsmitteln für Opfer von Verstössen. Nur ein internationales verbindliches Instrument kann dies leisten. Dieses wird auch Rechtssicherheit und eine ausgeglichene Wettbewerbssituation für international tätige Schweizer Unternehmen schaffen und verhindern, dass sich schwarze Schafe mit Menschenrechtsverstössen Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Bis zur dritten Session im nächsten Jahr wird die Vorsitzende der Zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe einen ersten Textentwurf für das neue Abkommen ausarbeiten. FIAN Schweiz wird einen ausführlicheren Bericht zur zweiten Session veröffentlichen und den weiteren Prozess in der Schweiz begleiten.

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