Menschenrechtsverträglichkeit prüfen!

mvpseminararbeitStaaten sind durch internationale Menschenrechtsverträge verpflichtet, die Menschenrechte im In- und Ausland zu achten (Achtungspflicht). Auch die Schweiz ist verpflichtet, das Recht auf Nahrung im globalen Süden zu achten. Die Schweiz darf das Recht auf Nahrung nicht durch ihre Handlungen und Unterlassungen gefährden oder verletzen.

Um dies zu gewährleisten, muss die Schweiz ihre «Handlungen» – Strategien, Programme, Projekte, Gesetze und Verordnungen, Abkommen (z.B. zu Freihandel und Investitionsschutz), Politik in internationalen Organisationen u.a. – einer entsprechenden Prüfung unterziehen. Ein hervorragendes Instrument dazu ist die Menschenrechtsverträglichkeitsprüfung (MVP).

Das Konzept der MVPs tauchte bereits 1979 auf, als der UN-Generalsekretär es in einem Bericht erwähnte. Seither werden MVPs von verschiedenen Seiten gefordert. Doch sind MVPs in der Schweiz und anderswo weder vorgeschrieben noch existiert dazu eine unmittelbar anwendbare Methodik im Sinne eines «Tools». Auf Anregung und mit Begleitung von FIAN Schweiz hat deshalb die «Human Rights Clinic» an der Juristischen Fakultät der Universität Basel eine erste Grundlage zur Institutionalisierung von MVPs in der Schweiz erarbeitet.

Die Studie «Die Einführung von Menschenrechtsverträglichkeitsprüfungen in der Schweiz» (deutsche Zusammenfassung) kommt zu folgenden Ergebnissen:

  • Es besteht keine explizite rechtliche Verpflichtung zur Durchführung von MVPs. Bis anhin ist diese Verpflichtung nur in «soft law» explizit statuiert worden.
  • Trotzdem haben Staaten eine Verpflichtung zur Durchführung von MVPs, die aus internationalen Abkommen abgeleitet werden kann – auch für staatliche Handlungen, die ausserhalb des eigenen Territoriums stattfinden bzw. sich auswirken.
  • Eine Methode zur Durchführung von MVPs kann aus folgenden acht Schritten bestehen: 1: Analyse des Vorhabens / 2: Wirkungshypothesen und Ermittlung potentiell verletzlicher Gruppen / 3: Ermittlung der Rechtsgrundlage für Verpflichtungen / 4: Informationsgewinnung / 5: Information und Konsultation der Beteiligten / 6: Analyse der gewonnenen Information / 7: Erstellung eines zusammenfassenden Berichts / 8: Umsetzungsüberwachung und Folgekontrolle.
  • Politiken, Strategien, Erlasse, Programme, Projekte, Massnahmen u.ä., die eine hohe Wahrscheinlichkeit aufweisen, Menschenrechte zu beeinträchtigen, müssen MVPs unterworfen werden – auch Strategien und Positionen der Schweiz in zwischenstaatlichen Organisationen.
  • Für die rechtliche Etablierung von MVPs dürfte der Bedarf nach einem eigenen Erlass (Gesetz und/oder Verordnung) bestehen.
  • Die Schaffung eines für MVPs verantwortlichen staatlichen Gremiums ist essentiell für die Institutionalisierung und künftige Praxis von MVPs in der Schweiz.
  • Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und ihre rechtlichen Grundlagen stellen eine gute Orientierung für die Entwicklung der rechtlichen Institutionalisierung der MVPs dar.

FIAN Schweiz wird die weitere Entwicklung und Konkretisierung dieser Thematik im nächsten Jahr weiter verfolgen.

pdficon_small1Studie «Die Einführung von Menschenrechtsverträglichkeitsprüfungen in der Schweiz» (gekürzte Übersetzung auf Deutsch)

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