Der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte: Mutlos und «smart Nix»

Der NAP wird wohl weder Vertreibungen verhindern noch bestrafen und wiedergutmachen können. Bild: Dorf der aus Mubende, Uganda, für eine Kaffeeplantage Vertriebenen.

Der NAP wird wohl weder Vertreibungen verhindern noch bestrafen und wiedergutmachen können. Bild: Dorf der aus Mubende, Uganda, für eine Kaffeeplantage Vertriebenen.

Im Dezember 2016 hat der Bundesrat den Bericht über die Schweizer Strategie zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte veröffentlicht, der auch den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) enthält. Auch wenn der NAP inhaltsreich und gut strukturiert ist, haben sowohl die Analyse des Vereins Konzernverantwortungsinitiative als auch die Analyse von FIAN Schweiz schwerwiegende Mängel aufgedeckt:

  • Die Bundesverwaltung hat darauf verzichtet, eine systematische Analyse der Lücken (gap analysis) im Menschenrechtsschutz vorzunehmen. Der NAP beschränkt sich weitgehend auf eine Bestandesaufnahme bestehender Aktivitäten: Von den fünfzig aufgelisteten Politikinstrumenten sind bloss sechs wirklich neu. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der NAP einen systematischen, umfassenden Menschenrechtsschutz gewährleistet.
  • Gegenüber Unternehmen soll der NAP gemäss seiner Zielsetzung nur der «Kommunikation», «Aufklärung/Sensibili­sie­rung» und «Zusammenarbeit» dienen. Verblüffend offen gibt der Bundesrat zu: «Der NAP schafft keine neuen, rechtlich verbindlichen Massnahmen». Verkennt der Bundesrat die eigentliche Staatsaufgabe in diesem hochriskanten Bereich, die konsequente Regulierung der kritischen Unternehmensaktivitäten bedeuten würde?
  • Gemäss den UN-Leitprinzipien sollen Unternehmen mittels Sorgfaltsprüfungen die nachteiligen menschenrechtlichen Auswirkungen ihrer Tätigkeiten ermitteln und die Auswirkungen verhüten oder mildern. Der Bundesrat scheint jedoch ein gespaltenes Verhältnis zu diesem Instrument zu haben: Einerseits hebt er verschiedentlich dessen Wichtigkeit hervor, drückt sich aber davor, eine Rechtsverbindlichkeit vorzusehen. Was besonders stossend ist: Nicht einmal für die bundeseigenen und bundesnahen Betriebe wagt der Bundesrat die verbindliche Einführung von Sorgfaltsprüfungen.
  • UN-Leitprinzip 10 handelt von multilateralen Handels- und Finanzinstitutionen, die Gefahr laufen, die Fähigkeit ihrer Mitgliedstaaten zur Erfüllung ihrer Schutzpflicht zu beschränken. Womit befasst sich nun der NAP? Mit lauter UNO-Institutionen, die Menschen- und Arbeitsrechte fördern! Es ist unverständlich und erfüllt den Inhalt von Leitprinzip 10 nicht, wenn der NAP die für Menschenrechte kritischen Institutionen wie Weltbankgruppe, Regionale Entwicklungsbanken und -fonds, WTO, IWF und TISA völlig ausblendet.
  • Auf die gegenwärtig im Rahmen der UNO stattfindende Ausarbeitung eines internationalen Abkommens zu Transnationalen Konzernen und Menschenrechten geht der NAP mit fragwürdigen Aussagen ein. Insbesondere bezweifelt er, dass das neue Abkommen «den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen wesentlich verbessern würde». Das Abkommen soll jedoch den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen entscheidend verbessern durch die internationale Vereinheitlichung der nationalen Rechtsordnungen, die geregelte internationale Zusammenarbeit bei Überwachung, Strafverfolgung, Rechtsprechung und Urteilsdurchsetzung gegenüber Transnationalen Konzernen und die international abgestützte Verbesserung des Zugangs zu Justiz und Wiedergutmachtung für Opfer von Menschenrechtsverletzungen: Mechanismen bzw. Errungenschaften, die die Leitprinzipien und die globale Kollektion unterschiedlichster NAPs wohl nur teilweise bis gar nicht erreichen können.

Als Fazit muss leider festgehalten werden: Mit diesem NAP erfüllt der Bund seine menschenrechtlichen Schutz- und Achtungspflichten nicht.

Der NAP wird auf das Jahr 2020 hin zum ersten Mal revidiert. Die Kernpunkte der Revision müssen aus unserer Sicht sein:

  • Die systematische Analyse der Lücken (gap analysis) im Menschenrechtsschutz soll unter Beteiligung der Zivilgesellschaft nachgeholt werden.
  • Der NAP soll die verbindliche Einführung von menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfungen für Unternehmen vorsehen –  je nach Ausgang der Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative für alle transnational tätigen Unternehmen oder zumindest für die staatseigenen und staatsnahen Unternehmen. Auch die öffentlichen Betriebe auf kantonaler und kommunaler Stufe mit transnationalen Bezügen sollen einbezogen werden.
  • Der NAP soll Politikinstrumente definieren, die sich in Umsetzung von UN-Leitprinzip 10 mit den für Menschenrechte kritischen Institutionen (Weltbankgruppe, Regionale Entwicklungsbanken, Welthandelsorganisation, Internationaler Währungsfonds u.a.) befassen.
  • Der NAP soll klar und konkret darlegen, wie der Bund Opfern von im Ausland erfolgten Menschenrechtsverstössen durch Unternehmen mit Bezug zur Schweiz einen einfachen und wirksamen Zugang zu Rechtsmitteln und Wiedergutmachung gewährleisten will.
  • Aufgrund des klaren Mehrwerts für den Menschenrechtsschutz, den das entstehende UN-Abkommen zu Transnationalen Konzernen und Menschenrechten beisteuern kann, erwarten wir, dass das Abkommen als essentielles Instrumentarium zur Umsetzung der Leitprinzipien wahrgenommen und dementsprechend im NAP behandelt wird.

pdficon_small1Stellungnahme von FIAN Schweiz zum Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (8 S., Januar 2017)

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